Hundert Jahre Einsamkeit

Gabriel García Márquez

Seiten: 468
Verlag: dtv
Erscheinungsjahr: 1967
ISBN-Nummer: 3-423-10249-7

Ein sehr besonderes Buch. Eines, das ich - wohlwissend, dass man es irgendwie gelesen haben sollte - aus der Bücher-Tausch-Box mitnahm, und dann ein Jahre drum herum schlich. So richtig Lust hatte ich nicht darauf, aber nun, zum Jahresende, habe ich mich drangemacht.

“Hundert Jahre Einsamkeit“ ist das Buch, das Gabriel García Márquez selbst wohl als sein Opus magnum ansah. Es wurde in mehr als 30 Sprachen übersetzt und zählt zum Kulturerbe Kolumbiens. García Márquez erzählt die Geschichte mehrerer Generationen der Familie Buendía. Mein Tipp: Unbedingt vor dem Lesen den Stammbaum auf Wikipedia ausdrucken – der hätte mir enorm geholfen. Man verliert doch irgendwann den Überblick, selbst bei zügigem Lesen.

In der Familie Buendía heißen alle Söhne entweder (José) Arcadio oder Aureliano. (Was nicht dazu beiträgt, den Überblick zu behalten). Der erste José Arcadio Buendía, das Oberhaupt der Familie, gründet mit anderen Familien den Ort Macondo. Das Buch beschreibt den enormen Aufschwung und den Niedergang des Ortes – parallel zu dem der Familie Buendía.

“Die neue Behausung schien Melchíades zu gefallen, da er sich nie mehr im Eßzimmer sehen ließ. Er ging nur noch in Aurelianos Werkstatt, wo er Stunden um Stunden seine rätselhafte Literatur auf Pergamente kritzelte, die er mitgebracht hatte und die aus einem so brüchigen Stoff hergestellt schienen, daß sie wie Blätterteig zerbröselten (…) Bald nahm er denn auch das Vegetariern eigene wehrlose Aussehen an. Seine Haut überzog sich mit einer zarten Moosschicht, die auf seiner anachronistischen Weste gedieh, die er nie mehr auszog, und sein Atem verströmte den Geruch eines schlafendes Tiers.“

Diese Pergamente werden am Ende des Buchs eine Art Auflösung bringen, den Bogen der Geschichte vollenden – auf schöne und poetische, und auch ein wenig versöhnliche Weise.

Denn es zieht sich bis dahin. Es mag Weltliteratur sein, und doch habe ich an manchen Stellen die Seiten gezählt, die noch vor mir liegen. Zu oft wiederholt sich der Handlungsstrang – vor allem, wenn es um verzehrende Leidenschaften geht. Tatsächlich ist dies beabsichtigt – 100 Jahre Einsamkeit eben…

„An einem Augustnachmittag, erdrückt von der unerträglichen Last ihrer eigenen Hartnäckigkeit, schloß Amaranta sich in ihr Schlafzimmer ein, um dort ihre Einsamkeit bis zum Tod zu beweinen, nachdem sie dem eigensinnigen Bewerber ihre endgültige Antwort erteilt hatte: ´Wir wollen uns für immer vergessen`, sagte sie. ´Wir sind schon zu alt für diese Dinge.`“

 

„So fand Fernanda beim Aufstehen das Frühstück fertig zubereitet und verließ ihr Schlafzimmer erst wieder, um sich ihr Essen abzuholen, das Aureliano für sie auf kleinem Feuer warm hielt und das sie am Kopfende des mit einem Leinentischtuch und Kandelabern geschmückten Eßzimmertischs mutterseelenallein vor fünfzehn leeren Stühlen verzehrte. Auch unter diesen Umständen teilten Fernanda und Aureliano nicht die Einsamkeit, ein jeder machte sein eigenes Zimmer, während die Spinnennetze die Rosensträucher mit Schnee bedeckten, die Balken überspannten und die Wände polsterten.“

Nur Ursula, die Frau des Familienoberhauptes, ahnt dies: dass sich Geschichte wiederholt.

“´Was willst Du`, murmelte er, ´die Zeit vergeht.` ´So ist es`, sagte Ursula. ´Aber nicht ganz so`. Als sie das sagte, wurde ihr bewußt, daß sie die gleiche Antwort gab, die Oberst Aureliano Buendía ihr in seiner Todeskandidatenzelle gegeben hatte, und wieder einmal erschauerte sie angesichts des Beweises, daß die Zeit nicht vorüberging, wie sie gerade zugegeben hatte, sondern daß sie im Kreis lief.“

Die Geschichte endet mit Aureliano Buendía (dem wievielten…??), auch er (natürlich) einsam.

„Er war der einzige Überlebende einer Vergangenheit, deren Vernichtung sich nicht vollzog, weil sie sich endlos vernichtete, in sich selbst verzehrte, in jeder Minute aufhörte, doch ohne aufzuhören, jemals aufzuhören.“

Ein wundervoller Satz, oder? Dafür lohnt sich das Lesen sehr: für die wunderschöne Sprache, das poetische, und auch die Besonderheit der Charaktere, von denen niemand außer Ursula so recht sympathisch ist. Ja, man sollte es wohl gelesen haben. Es lohnt sich – es ist eben ein besonderes Buch. Und derer gibt es nicht so viele.

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