Es ist ja eigentlich ein „Muss“, „Der Herr der Ringe“ gelesen zu haben. So wie Harry Potter, der auch seit Jahren unbeachtet im Regal steht. Zumindest in Sachen Hobbits, Gandalf, Mordor, Elfen, Auenland und Co. kann ich nun mitreden. Die laaaaange Reise von Beutelsend zum Schicksalsberg habe ich miterlebt, Ritt um Ritt und Kampf um Kampf. Der Hobbit Frodo muss „den Ring“ zerstören, damit er nicht in die Hände von Sauron fällt, dem Bösen schlechthin. Der Zauberer Gandalf bringt es auf den Punkt: „Der Herr des Rings ist nicht Frodo, sondern der Gebieter des Dunklen Turms von Mordor, dessen Macht sich wieder auf der Welt ausbreitet.“ Und viele hundert Seiten später sagt Gandalf zu den Anführern der Völker:
„Über dieses Ding, ihr Herren, wisst ihr alle nun genug, um unsere Lage und die von Sauron zu verstehen. Wenn er ihn wiedererlangt, ist eure Tapferkeit umsonst, und sein Sieg wird rasch und vollständig sein; so vollständig, dass niemand dessen Ende voraussehen kann, solange diese Welt besteht. Wird der Ring vernichtet, dann wird er stürzen; und er wird so tief stürzen, dass niemand voraussehen kann, ob er sich jemals wieder erhebt. Denn er wird zum größten Teil die Kraft verlieren, die ihm innewohnte, als er begann, und alles, was mit dieser Macht vollbracht oder unternommen wurde, wird verfallen, und er wird auf immerdar verstümmelt sein und zu einem bloßen Geist des Bösen werden, der sich in den Schatten selbst verzehrt, aber nicht wieder wachsen oder Gestalt annehmen kann. Und so wird ein großes Übel der Welt beseitigt sein.“
Frodo wird beauftragt, den Ring zu zerstören, was nur im Zentrum des Bösen möglich ist, im Schicksalsberg von Mordor. Kein einfacher Weg und keine leichte Aufgabe, doch Frodo geht nicht allein. Der Elbenkönig Elrond bestimmt:
„Die Gemeinschaft des Rings soll aus neun bestehen; und die Neun Wanderer sollen es mit den Neun Reitern aufnehmen, die böse sind. Mit Dir und Deinem treuen Diener wird Gandalf gehen; denn dies wird seine große Aufgabe sein und vielleicht das Ende seiner Mühen. Die Übrigen sollen Vertreter der anderen Freien Völker der Welt sein; der Elben, Zwerge und Menschen. Legolas wird für die Elben mitgehen und Gimli, Glóins Sohn, für die Zwerge. (…) Für die Menschen wirst Du Aragorn, Arathorns Sohn, bei Dir haben, denn Isildurs Ring geht ihn doch sehr an.“
Außerdem sind neben Frodos Diener und Freund Sam der Mensch Boromir dabei, sowie die beiden Hobbits Pippin und Merry. Sie alle werden nicht den ganzen Weg gemeinsam bestreiten, den letzten Teil müssen Frodo und Sam alleine bewältigen, während der Rest der Truppe in den Krieg zieht und das Böse, den Herrscher Sauron, von Frodos Wanderung ablenkt.
Über drei Bände erzählt J.R.R. Tolkien seine Geschichte: Die Gefährten finden sich und machen sich auf den Weg; die Gefährten sind unterwegs, und am Ende das große Finale mit Kampf, dem Erreichen des Schicksalsbergs, einer Königskrönung und ein paar Hochzeiten. Es wird viel gewandert und geritten in den Büchern, der Weg ist weit. Und Tolkien schildert die von ihm erschaffene Welt in allen Einzelheiten. Vor dem inneren Auge entsteht Mittelerde, und zum Nachschauen liegt die Landkarte dem Buch bei. Tolkien hat nicht nur eine Welt geschaffen, sondern verschiedene Völker, deren Sprachen und ganze Stammbäume und Zeitalter erfunden. Die Details dazu sind im fast 160-seitigen Anhang geschildert, den zu lesen ich mir erspart habe.
Diese Detailverliebtheit sorgt auch dafür, dass sich die Geschichte stellenweise etwas zieht. Wenn etwas passiert, liest es sich unterhaltsam und kurzweilig, doch zwischen den Geschehnissen, eigentlich immer, wenn die Gefährten unterwegs sind, kann es länglich werden. Dann hält sich der Lese-Spaß etwas in Grenzen. Dennoch habe ich dem „Herrn der Ringe“ einen halben Stern zusätzlich verliehen für eben diese Erschaffung der Welt und dessen genauer Schilderung. Das ist es, was am Ende in Erinnerung bleiben wird und das Buch zu etwas Besonderem macht.
Es war gut, vorher „Der kleine Hobbit“ gelesen zu haben, das gut in die Geschichte des Rings einführt. Es war wahrscheinlich nicht so gut, vorher die Filme gesehen zu haben. Die Charaktere des Films bleiben im Gedächtnis und nehmen so auch beim Lesen diese Gestalt an. Das ärgert mich ein wenig, auch wenn einige – Gandalf, Gimli – perfekt getroffen sind im Film. Doch Frodo beispielsweise ist in meinem Kopf älter als im Film, er ist auch nicht so weinerlich. Im Buch wird deutlich, welche Last es ist, den Ring zu tragen – was sich aber filmisch offenbar nur ausdrücken lässt, indem man Frodo als Jammerlappen darstellt. Auch Aragorn ist für mich beim Lesen weniger so ein weicher Schönling wie im Film, und es erfordert etwas geistige Anstrengung, diese Figuren im Kopf „umzugestalten“.
Einige Charaktere und Völker mag ich sehr. Baumbart von den Ents etwa. Die Ents sind die uralten, sprachgewandten Bäume, in die bin ich ganz vernarrt (und ärgere mich immer noch, dass wir in den Weta-Studios in Wellington nicht das Plakat mit den Ents gekauft haben). Ich mag auch die dumpfen und dummen, aber gewalttätigen Orks, die sich gegenseitig wegen jeder Kleinigkeit an die Gurgel gehen, wenn sie keinen Feind zu bekämpfen haben. Und die stolzen und schnell beleidigten Zwerge mag ich. Gimli beweist, dass er obendrein auch klug ist:
„´So ist es immer mit den Dingen, die die Menschen beginnen: Es gibt Frost im Frühling oder Dürre im Sommer, und ihre Hoffnungen schlagen fehl.` ´Doch selten schlägt ihre Saat fehl`, sagte Legolas. ´Sie liegt im Staub und vermodert, und zu unerwarteten Zeiten und an unerwarteten Orten geht sie dann auf. Die Taten der Menschen werden uns überdauern.` ´Und doch, vermute ich, kommt am Ende nicht mehr dabei heraus als Schall und Rauch`, sagte der Zwerg.“
Es ist schön, diesen Schuber mit den drei Bänden nun im Regal zu haben, es ist eine edle Edition, eine richtig gute Anschaffung. Ich kann den Hype, den „Der Herr der Ringe“ bei manchen ausgelöst hat, nachvollziehen. Und wenn es für mich persönlich kein Fünf-Sterne-Buch ist, ist es doch auf jeden Fall ein Besonderes. Eben eines, das man schon gelesen haben muss.
„Immerhin wüsste ich gern, ob wir jemals in Liedern und Geschichten vorkommen werden. Wir sind natürlich in einer; aber ich meine: in Worte gefasst, weißt Du, am Kamin erzählt und aus einem großen, dicken Buch mit roten und schwarzen Buchstaben vorgelesen, Jahre und Jahre später. Und die Leute werden sagen: ´Das ist eine meiner Lieblingsgeschichten. Frodo war sehr tapfer, nicht wahr, Papa?` ´Ja, mein Junge, der berühmteste der Hobbits, und das sagt viel.`“