Breaking News

Frank Schätzing

Seiten: 955
Verlag: Fischer Verlag
Erscheinungsjahr: 2015
ISBN-Nummer: 9783596030644

"Die Gemengelage im Nahen Osten ist so ziemlich das Komplizierteste, über das ich je geschrieben habe", schreibt Frank Schätzing am Ende seines Romans "Breaking News". Man glaubt es ihm nach der Lektüre sofort.

Grundkurs im Nahost-Konflikt

Der Verdienst Schätzings ist es vor allem, dem Leser dieses Komplizierte verständlich zu vermitteln. Wie schon bei „Der Schwarm“ ist das Erzählte sorgsam recherchiert und unterhaltsam geschrieben. Die Geschichte, die Schätzing erzählt, ist ein interessantes Gedankenspiel, wenngleich das Buch für mich vor allem deshalb lesenswert ist, weil ich sehr viel über Israel und den Nahostkonflikt gelernt habe.

„Nichts da, Hebron gehört den Muslimen.
Ach ja?
Bis zum Ersten Weltkrieg regierte hier Ibrahim Pascha und –
Ja, aber schaut mal ins 15. Jahrhundert, da leben Hunderte Juden in Hebron und die haben –
(…)
Egal. 683 geriet Hebron unter muslimische Herrschaft –
Und war vorher jüdisch. David ist hier zum König gesalbt worden
(…)
Aber vor 3000 Jahren –
Aber vor 5000 Jahren –
Man kann froh sein, dass nicht noch ein paar Neandertaler aufkreuzen und Ansprüche geltend machen.“

Erzählt wird die Geschichte dreier Generationen, wobei „Breaking News“ kein Familienroman ist. Vielmehr wird anhand der charismatischen Charaktere die Geschichte des Landes erzählt. Hauptfiguren sind der Mensch und Politiker Ariel Scharon und ein fiktiver Journalist, Kriegsreporter, Haudegen, Lügner. Die dritte Person, die eine wichtige Rolle spielt, entstammt der dritten Generation dieser Geschichte und verkörpert all das, was dieser unendliche Konflikt mit den Menschen, die in ihm aufwachsen, macht.

„Breaking News“ um jeden Preis

Lange konnte ich mit dem Titel des Buches wenig anfangen, hielt ihn für unpassend. Dabei ist die Jagd nach der „Breaking News“, der Schlagzeilen machenden Nachricht, der Auslöser der Handlung, um die es eigentlich geht.

„Aus der Nummer kommt er jetzt nicht mehr raus. Sie würden ihm nicht glauben, dass er alles erfunden hat, sollten sie ihn in die Finger kriegen (…). Er muss es zu Ende bringen! Noch ein paar Dokumente fälschen, für den nötigen Feinschliff sorgen. Und ab in die Medien.“

Tom Hagen, der Journalist, denkt sich eine Geschichte aus, um nach seinem selbstverschuldeten Absturz und der darauf folgenden Ächtung durch die seriösen Medien wieder zurück aufs journalistische Parkett zu kommen, seinen Ruf wiederherzustellen. Seine erfundene Geschichte jedoch ist wahr – und darf keinesfalls an die Öffentlichkeit geraten. Eine Hetzjagd beginnt, spannend erzählt, durchaus vorstellbar, dass auch diese erfundene Geschichte wahr sein könnte.

Kein Mut zum Bruch

Leider erliegt Schätzing aber auch der Versuchung, das ein oder andere Klischee zu bedienen. Dass sich zwei finden und verstehen, sich gegenseitig reinwaschen, es natürlich – wenn auch nicht für den Nahen Osten, so doch für die Protagonisten – ein Happy End gibt. Wer sich nicht alles als Doppelagent entpuppt – da wäre weniger mehr gewesen. Vor allem den letzten hätte es nicht mehr gebraucht.

Mit dem Happy End ist zwar die Geschichte in sich schlüssig. Mutiger wäre es aber gewesen, sie mit einem Bruch zu versehen und z.B. Tom Hagen sterben zu lassen. Es sterben aber nur Personen, zu denen man als Leser keine recht Bindung aufbaut. Hätte die Realität Ariel Scharon nicht ins Koma versetzt, er wäre im Buch in keines gefallen, oder wieder daraus aufgewacht. Die Geschichte um diese Ereignisse ist die Basis des Buchs und gleichzeitig seine größte Schwäche.

Ein Buch zum In-einem-Durchlesen

Alles in allem liest sich „Breaking News“ leicht von der Hand, man sollte aber dran bleiben. Zu viele Zeitsprünge, zu viele Charaktere – wer das Buch nur vorm Einschlafen liest läuft Gefahr, immer wieder zurückblättern zu müssen. Ein Buch also für einen langen faulen Urlaub, am besten irgendwo im Nahen Osten…

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