Komm, ich erzähl dir eine Geschichte

Jorge Bucay

Seiten: 283
Verlag: Fischer Taschenbuch
Erscheinungsjahr: 1999
ISBN-Nummer: 978-3-596-17092-0

Fünfzehn Jahre musste dieses schöne Büchlein in meinem Regal warten, bis ich es endlich beachtet habe. 2008 habe ich mir „Komm, ich erzähl dir eine Geschichte“ auf den Tipp einer Freundin hin gekauft. An die erste Geschichte konnte ich mich noch erinnern, die hatte mir die Freundin damals erzählt: Die vom Elefanten, der in einem Zirkus lebend, nie versucht, sich von dem kleinen Pflock zu befreien, an dem er angebunden ist. Nur warum nicht? Als er er zuletzt versuchte, war er noch ein kleiner Elefant, erfolglos in seinen Bemühungen. Er hat resigniert - und es nie wieder versucht. Er kam gar nicht auf die Idee, dass er sich verändert haben könnte - und nun die Kraft hätte, sich zu befreien…

Solche Geschichten sind es, die der Psychologe Jorge „der Dicke“ seinem Patienten Demian erzählt, aus dessen Perspektive das Buch geschrieben ist.

“Mit der Zeit erfuhr ich, daß der Dicke Fabeln liebte, Parabeln, Märchen, kluge Sätze und gelungene Metaphern. Seiner Meinung nach war der einzige Weg, etwas zu begreifen, ohne die Erfahrung am eigenen Leib zu machen, der, ein konkretes symbolisches Abbild für das Ereignis zu haben. ´Eine Fabel, ein Märchen oder eine Anekdote`, bekräftigte Jorge, ´kann man sich hundertmal besser merken als tausend theoretische Erklärungen, psychoanalytische Interpretationen oder formale Lösungsvorschläge.`“

Nicht alle Geschichten stammen direkt aus der Feder Jorge Bucays. Er hat sie zusammengetragen: Sagen aus der klassischen Antike, Sufi-Geschichten, Zen-Weisheiten aus Japan und China, Märchen aus Argentinien, Frankreich, Russland, Senegal… Bucay „erzählt sie um“, wie es im hinteren Klappentext heißt.

Wie etwa die Geschichte vom Land der langen Löffel. Einem Land, das aus zwei Zimmern besteht. In beiden sitzen Menschen, die an langen Tafeln sitzen, auf denen die feinsten Speisen angerichtet sind. Die Menschen haben Löffel, die doppelt so lang sind wie ihre Arme, und die an den Händen befestigt sind. Im ersten Raum jammern die Menschen, rufen lautstark ihr Leid heraus, weil sie nicht essen können und vor dem gedeckten Tisch verhungern müssen – niemand konnte seinen Löffel zum Mund führen.

In dem anderen Raum war die Situation ähnlich:

“Auch dort befanden sich ausgesuchte Speisen auf dem Tisch, und jeder Anwesende hatte einen langen Löffel, der an seiner Hand festgemacht war. Aber hier beklagte sich niemand, und niemand lamentierte. Niemand war sterbenshungrig, nein, denn: Man fütterte sich gegenseitig!“

Die Geschichten sind wunderbare kleine Gute-Nacht-Geschichten, angenehm zu lesen, manche merkt man sich, andere sind gleich wieder vergessen, viele haben einen philosophischen Kern. Sehr nette Zwischendurch-Lektüre!

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