Dr. Arnulf Schmitz-Zceisczyk

Gerhard Polt

Seiten: 143
Verlag: Kein & Aber
Erscheinungsjahr: 2024
ISBN-Nummer: 978-3-0369-6174-3

Gerhard Polt ist ein Meister seines Fachs. Bitterböse, auf den Punkt, stets ein guter Beobachter. Mit "Dr. Arnulf Schmitz-Zceisczyk" hat er eine Figur geschaffen, bei der man sich unweigerlich fragt, ob das Wort "geschaffen" tatsächlich stimmt. Ein schmerzhaftes Buch.

Ein Preuße in Bayern, genauer: ein Niedersachse am Tegernsee. Schlimmer: Ein reicher Niedersachse am Tegernsee. Ein Milliardär. An sich schon eine – zumindest in der Vorstellung – unangenehme Person, ist er dies umso mehr, als er in der urigen Abgeschiedenheit Bayerns meint, sich alles untertan machen zu können. Menschen, Naturgewalten, politische Entscheidungen. Man muss nur ausreichend spenden, investieren, „sich engagieren“, wie es der Reiche ausdrückt.

Polt hat sein kleines Bändchen in einzelne, sehr kurze Geschichten, eher Szenen, gegliedert. Wer wie ich schon sein halbes Leben von Polt begleitet wird, liest dieses Buch nicht, sondern er hört während des Lesens die Stimme Polts im Kopf. Sieht ihn vor dem geistigen Auge auf der Bühne, seinen Charakter darstellend. Das gibt dem Lese“vergnügen“ sicherlich nochmal einen eigenen Charme; wer Polt nicht so gut kennt, seine Darstellung einer Figur wie Schmitz-Zceisczyk nicht nachvollzieht, dem geht sicherlich etwas verloren.

Ein Vergnügen ist dieses Buch nicht – zu wahr fühlen sich manche Szenen an.

„Ich meine, natürlich bin ich ein alter Porscheaner. (…) Jetzt habe ich einen Turbo S, nicht wahr, 680 PS, das gibt einen Ruck, wenn man wegfährt. (…) Wissen Sie, ich fahre ja manchmal zu dem Dr. Pemsler runter an den Gardasee. Da rufe ich ihn in der Früh an und sage, pass mal auf, ich komm auf ein paar Spaghetti vorbei. Dann fahr ich vom Tegernsee schnell runter, und zum Kaffee bin ich schon wieder zu Hause. Was ich alles habe? Na ja, die ganzen Extras, Coming-Home-Light, ROPS – Roll-Over-Protection-System. Aber wissen Sie, ich sag mir halt in der heutigen Zeit: Schnelligkeit ist Sicherheit. Auch wenn manche Leute in der Ansicht divergieren, aber es gibt eben diese Momente, in denen man überholen muss und zwar rechtzeitig. Das wird oft übersehen. Sie wissen ja, diese Feindschaft dem Automobil gegenüber.“

Der Hahn kräht zu laut, die Nachbarn werden verklagt. Der Schneeräumdienst verschüttet seine Einfahrt, die Gemeinde wird verklagt. Und der 200 Quadratmeter große Pool ein Schwarzbau – dennoch schaltet man mal den Rechtsanwalt ein, bevor man ihn doch wieder zuschütten muss.

Seine Frau Annerose tickt natürlich genauso, auch sie kommt manchmal zu Wort.

„Bei den Baguettes bin ich wirklich pingelig, die müssen dünn sein, frisch und knackig, die müssen direkt von Paris kommen. Ohne Amazon wäre ich aufgeschmissen.“

Es geht dem Paar nicht darum, Freunde zu haben, den Mitmenschen etwas Gutes zu tun oder die Gemeinde finanziell zu unterstützen. Es geht um den Tegernsee und das „Urige“ und das Bayerische und das Gefühl von Heimat.

„Wir haben uns ja nicht hier angesiedelt, um einfach hier zu wohnen, sondern das ist eine Residenz. Residieren ist was anderes als wohnen, das sagt Ihnen heute jeder Immobilienmakler. Irgendwo eine Bruchbude an einem Ammersee oder an einem Chiemsee zu haben, das mag ja ganz schön sein, nicht wahr, aber da fehlt die Dimension.“

„Dr. Arnulf Schmitz-Zceisczyk“ ist beißend, lässt sich in einem Rutsch durchlesen und den Leser, die Leserin mehr als einmal erleichtert denken: „Zum Glück wohn ich nicht am Tegernsee!“ Wenngleich man den Eindruck nicht los wird, einem Menschen wie Schmitz-Zceisczyk oder seiner Frau bestimmt schonmal irgendwo begegnet zu sein.

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