Der Mönch von Mokka

Dave Eggers

Seiten: 375
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Erscheinungsjahr: 2018
ISBN-Nummer: 978-3-462-04878-0

Ob das ein Buch ist für jemanden, der sich nicht für Kaffee interessiert? Diese Frage ging mir durch den Kopf, als ich etwa die Hälfte gelesen hatte. Ich selbst liebe Kaffee, und ich liebe dieses Buch.

Mokhtar Alkanshali ist im Jemen geboren und in den USA aufgewachsen. Im ärmsten Viertel San Franciscos lebt er mit seinen Eltern und Geschwistern, beendet die Schule, wird ein Jahr zu seinen Großeltern in das Land seiner Wurzeln geschickt. Und weiß nicht so recht, was er anfangen soll mit seinem Leben. Mal verkauft er zu Hause in den USA Klamotten, mal Autos, arbeitet als Portier … Bis ihn eine Freundin auf eine Statue aufmerksam macht, den Mönch von Mokha.

„Sie stellte einen Mann dar, der scheinbar im Gehen aus einer riesigen Kaffeetasse trank. (…) Als Mokhtar den Innenhof verließ, war er wie benommen. Kaffee und Jemen. Eine ferne Erinnerung durchgeisterte ihn. Am Abend (…) erzählte er seiner Mutter von der Statue. Sie lachte.

´Wir haben seit Jahrhunderten Kaffee in der Familie`, sagte sie. ´Denk doch mal an das Haus von deinem Großvater in Ibb. Da waren immer Kaffeesträucher im Hof. Die sind heute noch da. Wusstest Du nicht, dass die Jemeniten die Ersten waren, die Kaffee exportiert haben? Im Grunde haben wir den Kaffee erfunden. Wusstest Du das wirklich nicht?`

Zusammen mit Mokhtar lernt der Leser alles über Kaffee. Wie die anregende Wirkung der Pflanze entdeckt wurde (per Zufall, weil Ziegen die Früchte aßen und unruhig wurden), wie das Getränk entstand und wie es zum Genussmittel wurde.

„Es handelt sich hier nicht um einen Roman, sondern um die Darstellung von Ereignissen, wie sie von Mokhtar Alkanshali wahrgenommen und erlebt wurden.“

…schreibt Eggers in seinem Vorwort. Drei Jahre lang hat er Mokhtar beobachtet und begleitet. Denn Mokhtar will den Kaffeenanbau im Jemen wiederbeleben, den Bauern den richtigen Umgang mit dem wertvollen Rohstoff beibringen und durch Direkthandel mit dem so produzierten Spezialitätenkaffee die Lebensbedingungen der Farmer verbessern – und damit die des ganzen Landes. Monatelang ist er in seinem Heimatland unterwegs, um Proben von allen noch bestehenden Kaffeefarmen im Jemen zu sammeln und die Bauern kennenzulernen. Doch die Bohnen außer Landes zu bringen ist nicht ganz einfach. Denn im Jemen beginnt der Bürgerkrieg.

“Alle zwanzig Minuten kamen sie an Checkpoints. Manchmal wurden sie angehalten und erklärten, was sie geladen hatten und wo sie hinwollten. Manchmal öffneten sie den Koffer und zeigten den Kaffee. Gelegentlich wurden sie einfach durchgewinkt. (…) Mokhtar stieg aus. Die Luft war ungewöhnlich warm, und aus der Stadt wehte ein beißender Geruch herüber – irgendwas brannte da. Er fragte einen anderen Mann, der die Stadt zu Fuß verließ, was denn los sei. ´Die Saudis haben die Stadt bombardiert`, sagte er.“

Und dies macht das Buch auch für jene interessant, die sich für Kaffee nicht interessieren. Denn neben der Geschichte des Getränks erfährt der Leser viel über den Jemen – und bekommt die Innensicht eines Bürgerkrieges aus der Perspektive eines Zivilisten und Geschäftsmannes.

So genau Dave Eggers, der mit „The Circle“ seinen internationalen Durchbruch feierte (Pflichtlektüre!!), die Geschichte des Kaffees beschreibt, so rasch geht er im weiteren Verlauf über manches hinweg: Ist es im Jemen wirklich so leicht, Helfer zu finden, in Kriegszeiten, nur weil es Freunde von Freunden sind? Wieso wird Mokhtar nie sein amerikanischer Pass abgenommen? Wenn Benzinmangel herrscht – wieso kann er dann kreuz und quer durch’s Land fahren?

Es bleiben manche Unklarheiten, die sich mutmaßlich mit einer intensiveren Schilderung der jemenitischen Gepflogenheiten, der Gesellschaft an sich und ihrer Probleme gelöst hätten. Die Schilderungen des Krieges, der Landschaften und Städte machen neugierig auf das Land; diese Neugier bleibt aber bis zum Schluss weitgehend ungestillt.

Die Geschichte, unter welch widrigen Umständen Mokhtar Alkanshali sein Unternehmen „Port of Mokha“ aufbaut ist dennoch beeindruckend. Was ich aber vor allem an diesem Buch mag ist, dass es ohne erhobenen Zeigefinger anschaulich erklärt, warum Kaffee ein wahrer Genuss ist – und viel mehr wert, als das, was der gemeine Kaffeetrinker in der Regel dafür bezahlt. In jeder Tasse Kaffee steckt eine soziale Verantwortung, die mit einer (Gaumen-)Freude sondergleichen belohnt wird.

Um also die Eingangsfrage zu beantworten: Für jeden Kaffeetrinker, jede Kaffeetrinkerin ist „Der Mönch von Mokka“ ein Lese-Muss!

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