Schöner Schein

Donna Leon

Seiten: 345
Verlag: Diogenes
Erscheinungsjahr: 2010
ISBN-Nummer: 978-3-257-24098-6

Commissario Brunettis achtzehnter Fall greift ein Thema auf, das in den vergangenen siebzehn Fällen noch keine herausragende Rolle gespielt hat, aber nicht nur in Venedig ein brisantes ist: Müllentsorgung. Wo landen chemische Abfälle, alte Medikamente und Elektroschrott? Selten in unserer Nachbarschaft, öfter im Meer oder zumindest über selbiges verschifft, in einem Land in Afrika, das dafür bezahlt wird, unseren Müll zu „entsorgen“. Als Otto Normalverbraucher steht man diesem Gebahren ebenso fassungs- wie hilflos gegenüber. So auch Commissario Brunetti.

„’Im einen Jahr reißen sich alle darum, im nächsten Jahr ist es nutzloser Schrott.‘ Brunetti wusste, wohin das führte, und sagte jetzt lieber nichts. ´Das ist das Geheimnis, Guido: neues Modell im einen Jahr, Schrott im nächsten. Weil es so viele von uns gibt und weil wir so viel Schrott konsumieren und so viel Schrott wegwerfen, muss es jemanden geben, der das aufsammelt und für uns beseitigt. Es gab Zeiten, da waren die Leute froh, wenn ihnen alter Schrott geschenkt wurde: Unsere Kinder nahmen unsere alten Computer oder unsere alten Fernsehgeräte. Heutzutage aber muss jeder neuen Schrott haben, seinen eigenen Schrott. Und deshalb müssen wir das Zeug heute nicht nur bezahlen, wenn wir es kaufen; wir müssen auch dafür bezahlen, wenn wir es wieder loswerden wollen.“

Brunetti wird durch einen Mordfall auf die Thematik aufmerksam; ein Kollege bittet ihn um Hilfe bei einem Mordfall und wird dann selbst ermordet. Er war in einer Sondereinheit im Kampf gegen illegale Müllentsorgung tätig.

Natürlich sind auch diesmal wieder die beruflichen und die privaten Wirrungen miteinander verknüpft – Brunettis Schwiegervater wird um Investment gebeten, von einem etwas zwielichtigen Geschäftsmann, der – man ahnt es – ebenfalls mit der „Branche“ Müllentsorgung zu tun hat.

(Und natürlich fragt sich der Leser auch in diesem Buch wieder, wie Brunettis Frau Paola, Tochter aus reichem Hause, Professorin, Mutter von zwei Kindern, ohne sichtbare Haushaltshilfe jeden Mittag ein warmes Gericht und jeden Abend ein drei Gänge-Menu zaubern kann, das nicht wenig aufwändig klingt. Aber das nur am Rande.)

“Schöner Schein“ bezieht sich nicht nur auf unsere scheinbar so schöne, saubere, müllfreie Welt, sondern auch auf eine der interessanteren Figuren dieses Buchs: die Frau des zwielichtigen Unternehmers, genannt „la Superliftata“.

“Ihre Augen wurden von den hochstehenden Wangen zusammengedrückt, die zu beiden Seiten ihrer Nase als pralle rosa Polster von der Größe einer längshalbierten Kiwi prangten. Die Nase selbst begann höher an der Stirn, als Nasen es gewöhnlich tun, und war seltsam flach, als habe sie jemand nach dem Einsetzen mit einem Spachtel geglättet. Von Falten und Flecken keine Spur. Ihre Haut war perfekt, die Haut eines Kindes. Das blonde Haar gab durch nichts zu erkennen, dass es etwas anders sein könnte als gesponnenes Gold.“

Dass aber eben nicht immer alles Gold ist, was glänzt, das schildert dieser Band der Brunetti-Reihe – und verleiht ihm damit beinahe einen moralischen Zeigefinger.

Dennoch gilt: Einen Brunetti lesen ist, wie nach einer langen Reise nach Hause zu kommen: Man weiß, was einen erwartet, fühlt sich wohl und kann sich entspannen. Das ist mit diesem achtzehnten Fall nicht anders.

 

Ausgewählte Bücher:

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Einsame Nacht


Charlotte Link
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Atlas eines ängstlichen Mannes


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Der Herr der Ringe


John R.R. Tolkien