Schlage die Trommel und fürchte Dich nicht

Maria Gräfin von Maltzan

Seiten: 266
Verlag: List
Erscheinungsjahr: 1986
ISBN-Nummer: 978-3-548-60877-8

Dieses Buch könnte eigentlich auch 1.200 Seiten dick sein. Was die Autorin als „Erinnerungen“ darlegt hätte das Potential für einen wahrlich dicken Schmöker. Die Komtess aus der Familie von Maltzan, aufgewachsen auf dem Schlóß bei Breslau, erzählt ihr Leben in kurzen, anekdotischen Absätzen. Jede Episode könnte dabei als Grundlage für ein eigenes Buch dienen: Die Zeit im Kinderheim, der Widerstand im Nationalsozialismus, das jahrelange Verstecken ihres späteren Gatten und anderer Verfolgter in der eigenen Wohnung, ihre Ausbildung zur Tierärztin, später die Zeit der Medikamentenabhängigkeit mit mehrmaligem Entzug. die Zeit als Vertretungsärztin und die im Zirkus ... Es war ein furchtloses Leben.

“Angst habe ich damals und auch später nie gehabt. Wenn ich all die Situationen bedenke, in denen ich mich während der Hitlerzeit und des Krieges befand, kann ich meinem Gott dafür nur danken. Denn keine Schrecksekunde zu kennen ist manchmal lebensrettend.“

Die Erinnerungen der Gräfin Maltzan lesen sich kurzweilig und mitunter befremdlich. Sie schildert vieles, als wäre sie nur Beobachterin gewesen – und nicht die Akteurin. Gleichzeitig geht das ewigliche „Me, Myself and I“ mit der Zeit ein wenig auf die Nerven – die Autorin ist von sich selbst sehr überzeugt und lässt kaum selbstkritische Auseinandersetzungen mit ihrem Handeln erkennen.

Vieles hätte ich als Leserin gerne vertieft erzählt bekommen – etwa, wie das genau war, den eigenen Freund für tot erklären zu lassen und daheim zu verstecken. Es gab zahlreiche Verhöre, nicht zuletzt, weil sich Maltzan nie von der Partei vereinnahmen ließ. Doch erst als im letzten Drittel die Zeit der Medikamentenabhängigkeit erwähnt wird ahnt man, wie anstrengend und fordernd das Leben gewesen sein muss. Aus den Erzählungen selbst, die zwar oft zum Schmunzeln bringen, aber nicht zum Bangen, liest sich das nicht heraus.

“So glücklich ich war, wenn ich mit meinem Zirkus durch die Lande rollte, so schlimm wurde es, wenn ich wieder in Berlin war. Meine Drogenabhängigkeit holte mich wieder ein, und ich machte erneut Bekanntschaft mit Wittenau. Ich hatte einen Hund, der sehr an mir hing, so daß er sich während des halben Jahres, das ich dort war, regelrecht zu Tode hungerte. Dies hat mich so belastet, daß ich nach dieser zweiten Entziehungskur das unternahm, was viele Suchtabhängige tun: Einen Suizidversuch.“

Mehr wird darüber auch nicht erzählt – und es mutet doch reichlich merkwürdig an, dass die Zeit des Nationalsozialismus zwar überstanden wird, viel später aber ein verstorbener Hund Anlass für einen Suizidversuch sein soll. Das ist nicht schlüssig und – wie so vieles in diesem Buch – arg verkürzt.

Allerdings: Ein Leben auf 266 Seiten zu erzählen – da kann man wohl auch keine tiefergehende (emotionalen) Darlegungen erwarten. Nette Lektüre, interessant und angenehm zu lesen. Zumindest bleibt einem Maria Gräfin von Maltzan danach in Erinnerung!

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