Notizen zu einer Hinrichtung

Danya Kukafka

Seiten: 346
Verlag: Aufbau Taschenbuch Verlag
Erscheinungsjahr: 2025

Wenn ich eine Buchmesse besuche, darf ich mir auch ein Buch dort kaufen - gehört einfach dazu. Auf der Leipziger Bücherschau hat mich erst der Fuchs auf dem Cover angelacht, dann der Titel gereizt. Es war kein Fehlgriff!

„Notizen zu einer Hinrichtung“ – das kann etwas furchtbar langweiliges sein, das kann etwas schrecklich grausames sein, oder es kann, wie in diesem Fall, ein wirklich gutes Buch über das „Davor“ sein. Und zwar aus völlig anderen Perspektiven, als man es von Krimis sonst kennt.

Es geht nur am Rande um die Person, die in der Todeszelle sitzt und die verbleibenden Stunden zählt. Im Mittelpunkt steht nicht der Täter, sondern seine Opfer, drei junge Frauen, die er vor Jahrzehnten ermordet hat.

„Als du Erde über ihren schlaffen Körper schaufeltest, spürtest du zu deinem Ärger nur eine riesige Leere. Sie war tot, aber du noch derselbe, und alles wurde bedeutungslos. Im ranzig gelben Mondlicht betrachtest du den Ring, den du ihr vom Finger gezogen hattest. Diesen Ring kanntest du doch. Miss Gemma. Du erinnertest dich daran, wie die Mädchen hinter der Tür über deine Kekse gelacht hatten. Es schien unglaublich, dass dasselbe Mädchen hier tot vor dir lag, das Schicksal hatte es dir nochmal zurück in dein Leben gespült.“

Nur die Perspektive von Ansel, dem Täter, ist in der „Du“-Form gehalten. Die anderen Perspektiven sind zum einen die Ermittlerin Saffy, die Ansel aus ihrer gemeinsamen kurzen Zeit bei der Pflegemutter Miss Gemma kennt. Zum anderen Lavender, Ansels Mutter. Sie hat ihn einst zurückgelassen, um sich und ihn vor dem gewalttätigen Vater zu schützen. Die dritte Erzählsicht ist die von Hazel, die Schwester eines der Opfer.

“`Ansel´, flüsterte Jenny. Sie wirkte verzückt und verlegen zugleich – Hazel kannte ihre Schwester. Jenny würde diese Geschichte aufblasen, sie mit jedem späteren Erzählen weiter auf Hochglanz polieren, und sie wünschte, ihre Eltern würden hier nicht sitzen, als Zeugen dieser verzerrten Version der Wirklichkeit. `Das war doch nicht nötig! Woher hast du ihn?´ Ansel grinste achselzuckend. `Er hat mich an dich erinnert.´“

Hazel wird Jahrzehnte später den entscheidenden Hinweis geben, der Ansel hinter Gitter bringt. Letztendlich ist es aber Saffy, die Ermittlerin, die die Fälle nie vergisst, sich immer wieder vorstellt, was inzwischen aus den jungen Frauen geworden wäre. Die Ansel am Ende hinter Gitter bringt.

„Erwischt und überführt hat dich tatsächlich eine Frau, eine Polizistin. Die größte Ironie deines Schicksals. (…) Sie sprach ruhig, führte dir die Tatsachen vor Augen, bis du einknicktest. Du hast nur ein paar Stunden im Verhörzimmer gesessen, aber am Ende hast du dich gefühlt, als hätte sie dir einen Eispickel ins Hirn getrieben.“

 

“Saffy wünschte, er würde Widerstand leisten oder spöttisch grinsen, sie auslachen. Sie wollte, dass er anbiss, sich provozieren ließe, seine Genialität zur Schau stellte. (…) Sie musste an die Krimis im Fernsehen denken, die süchtig machten, aber ein irreführendes Bild vermittelten. In solchen Szenen kümmerten sich glamouröse Anwälte um attraktive Beschuldigte. Geniale Schurken, hochintelligente Psychopathen, die aus Spaß Schrecken verbreiteten (…). Wie weit entfernt davon sich doch die Realität offenbarte: Ansel Packer war kein genialer Schurke. Er wirkte nicht mal besonders schlau. (…) Ein langweiliges Männlein, das getötet hatte, weil ihm danach war.“

“Notizen zu einer Hinrichtung“ ist weder langweilig, noch explizit grausam. Danya Kukafka macht deutlich, wie durch Naivität und dem Wunsch, das richtige zu tun, etwas Traumatisches entstehen kann. Wie Traumata Menschen böse machen können. Und wie andere durch Wegsehen indirekt dazu beitragen.

Das Buch ist kein klassischer Krimi – man weiß, wie es endet und es geht nicht darum, die Taten aufzuklären. Es geht um die Geschichten, die Personen, hinter den Taten. Das funktioniert – und ich hoffe, es bleibt nicht das einzige Buch der Autorin!

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