Marina

Carlos Ruiz Zafon

Seiten: 350
Verlag: Fischer Taschenbuch
Erscheinungsjahr: 2012
ISBN-Nummer: 978-3-596-18624-2

Wieder mal in ein Fundstück in meinen Bücherregal, das sei 2012 darauf wartet, gelesen zu werden... Ich bin bei Büchern, die nach dem Durchbruch eines Autors veröffentlicht werden, aber vorher geschrieben wurden, immer skeptisch: Wäre es ein gutes Buch, wäre ja das schon der Durchbruch gewesen...?

Carlos Ruiz Zafon hatte seinen Durchbruch 2002 mit „Der Schatten des Windes“, „Marina“ schrieb er 1999. In seinem Vorwort schreibt Zafon, es sei eines der Bücher, die ihm am nächsten stehen, ein persönliches Buch, eines, bei dem er „seine Sprache gefunden“ habe.

Ich bin angesichts meiner Skepsis überrascht, wir gut mir das Buch gefällt. Dabei kommt ihm aber sicher zugute, dass zwischen dem Lesen von „Die Stimmen des Windes“ und „Marina“ viele Jahre liegen. Denn auch „Marina“ birgt ein Rätsel, auf dessen Spur sich der Protagonist begibt, zusammen mit einer schönen, geheimnisvollen Freundin.

Die beiden beobachten eine in schwarz gekleidete Frau, die einmal im Monat ein Grab auf einem alten Friedhof besucht. Anstatt eines Namens ist ein schwarzer Schmetterling auf dem Grabstein abgebildet. Oscar und Marina folgen ihr und geraten in einen Sog abenteuerlicher und gefährlicher Nachforschungen.

Mit „Marina“ hat Zafon einen Schauerroman geschrieben. An manchen Stellen gleicht er einen Horrorfilm und die Bilder, die er beschreibt, haben das Potential für schlechte Träume. Es geht um düstere Gestalten, die in der Kanalisation Barcelonas leben, geschaffen von jemandem, der sich einst über das Leben selbst hinwegsetzen wollte, einem, den Mythen umranken. Diesen Mythen folgen Oscar und Marina, und machen dabei „phantastische“ Erfahrungen.

„Der Gestank wurde unerträglich, sauer. Und mit der Klarsichtigkeit der Angst entdeckte ich die Figur an der Wand, die reglos dort hing, ein schwarzgekleidetes Wesen mit gekreuzten Armen. Wirre Haare verhüllten das Gesicht. Von der Tür aus sah ich, wie sich dieses Gesicht unendlich langsam hob und mit einem Lächeln im Halbdunkel blitzende Eckzähne entblößte. In den Handschuhen begannen sich Klauen wie Schlangenbündel zu bewegen. Ich trat einen Schritt zurück und hörte wieder meinen geflüsterten Namen. Wie eine riesige Spinne kam die Figur auf mich zu.“

Es ist nicht einfach, die Handlung zu beschreiben, ohne zu viel zu verraten. Auf dem Buchumschlag heißt es in einer Kritik: „Carlos Ruiz Zafon erzählt mit viel Poesie die dramatische Geschichte eines jungen Mannes, der um sein Glück und seine große Liebe kämpft.“

Das trifft es einerseits – Zafons Sprache ist wunderbar poetisch, die Handlung dramatisch, und ja, es geht auch ein wenig um Liebe. Aber die eigentliche Handlung ist nicht der Kampf darum, sondern das Nachspüren der Vergangenheit, das Lösen eines Rätsels, das niemanden mehr interessiert. Denn, wie eine der Protagonistinnen sagt: „Die Wahrheit ist in Sicherheit vor den Menschen.“ Lesenswert!

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