Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins

Milan Kundera

Seiten: 301
Verlag: Carl Hanser Verlag
Erscheinungsjahr: 1984
ISBN-Nummer: 3-7632-4885-4

„Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ war für mich immer eines der Bücher, die man gelesen haben muss. Warum ich dieser Auffassung war kann ich nicht sagen, und ob ich es nun, nach dem Lesen, immer noch bin ...?

Es ist das wohl bekannteste Werk des tschechischen Autors Milan Kundera, damit erlang er internationale Bekanntheit. Es ist ein philosophisches Buch, das es dem Leser nicht leicht macht, es zu mögen. Man könnte auch ihm auch den Tiel geben: „Das einfachere Leben in der Schwere“.

Im Mittelpunkt stehen Tomas und Teresa, deren (Liebes-?)geschichte hier erzählt wird. Man muss dies mit einem Fragezeichen versehen, denn allzu oft wird diese Liebe hinterfragt und definiert. Mit Sabina und Franz kommen zwei weitere Akteure hinzu, deren Notwenigkeit sich mir nicht zwingend erschließt. Mutmaßlich soll der Begriff der „Liebe“ durch sie erweitert werden?

Über allem schwebt der Autor. Immer wieder meldet er sich zu Wort, schaut von außen (um nicht zu sagen: von oben herab) auf seine Geschichte und deren Charaktere. Und gibt zu, dass das Buch seine Art ist, die Möglichkeiten seines Lebens auszukundschaften: Was wäre gewesen, wenn er an manchen Wegesmarken anders entschieden hätte?

„Die Personen meines Romans sind meine eigenen Möglichkeiten, die sich nicht verwirklicht haben. Deshalb habe ich sie alle gleich gern, deshalb machen sie mir alle die gleiche Angst. Jede von ihnen hat eine Grenze überschritten, der ich selbst ausgewichen bin. Gerade diese unüberschrittene Grenze (die Grenze, jenseits derer mein Ich endet) zieht mich an. Erst dahinter beginnt das große Geheimnis, nach dem der Roman fragt. Ein Roman ist nicht die Beichte eines Autors, sondern die Erforschung dessen, was das menschliche Leben bedeutet in der Falle, zu der die Welt geworden ist.“

Schreiben als Therapie? Seine philosophischen Betrachtungen der Liebe, des Kommunismus, des Lebens sind mitunter zäh – etwa wenn sich Kundera ein ganzes Kapitel lang dem Kitsch widmet. Gleichwohl haben die Überlegungen und Schlüsse, zu denen er kommt („Der Kitsch ist die Umsteigestation zwischen dem Sein und dem Vergessen“) ihren Reiz. Sie sind nicht angenehmer zu lesen, gönnen dem Leser aber dennoch eine Pause von der durchwegs tristen Welt von Tomas und Teresa.

Sie ist schwach, er ist untreu, beide wissen das und können nicht ohneeinander.  Für sie gibt er ein Leben jenseits des Kommunismus auf, kehrt zurück zu ihr nach Prag, opfert seine Berufung – und zweifelt immer wieder daran. Der Zweifel durchzieht das Buch. Es gibt keine Leichtigkeit des Seins jenseits der Definition, die der Autor immer wieder anführt.

“Am Samstag und Sonntag hatte er die süße Leichtigkeit des Seins aus der Tiefe der Zukunft auf sich zukommen gefühlt. Am Montag fiel eine Schwere auf ihn nieder, wie er sie bisher noch nicht gekannt hatte. All die eisernen Tonnen der russischen Panzer waren nichts, gemessen an dieser Schwere. Es gibt nichts Schwereres als das Mitgefühl. Selbst der eigene Schmerz ist nicht so schwer wie der Schmerz, den man mit einem anderen, für einen anderen, an Stelle eines anderen fühlt, der sich durch die Vorstellungskraft vervielfältig, sich in hundertfachem Echo verlängert.“

Ist Liebe nichts anderes als Mitgefühl? Für Tomas und Teresa ist es so: Mitgefühl ersetzt bei Tomas die Liebe zu Teresa, Abhängigkeit bei Teresa die Liebe zu Tomas. Die einzige, wahre, reine Liebe besteht nur zwischen Teresa und ihrem Hund Karenin. Und so ist die Sterbeszene des Hundes die herzerweichendste des Buchs. Nirgendwo sonst auf diesen 300 Seiten stirbt die Liebe – weil sie nicht als solche vorkommt.

Ein Buch über die Liebe ohne Liebe – kann es etwas deprimierenderes geben? Vielleicht sollte man es gerade deswegen lesen.

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