Auf dem schwarzen Berg

Bruce Chatwin

Seiten: 285
Verlag: Fischer Taschenbuch
Erscheinungsjahr: 1990
ISBN-Nummer: 3-596-10294-4

Wieder ein Fundstück, das knapp 20 Jahre in meinem Bücherregal darauf warten musste, gelesen zu werden. Und wieder wundere ich mich, warum ich nicht viel früher zu diesem durchaus lesenswerten Bändchen gegriffen habe.

Bruce Chatwin erwählt vom Leben der Zwillinge Lewis und Benjamin, die zwar einerseits so sehr miteinander verschmolzen sind, dass der eine die Schmerzen des anderen spürt, sie aber doch nicht immer die gleichen Ziele verfolgen. Lewis hätte sich durchaus mehr vom Leben erwartet, als bis zum Ende seiner Tage den Hof seiner Eltern zu bewirtschaften – einer Ehe und Kindern wäre er nicht abgeneigt gewesen. Aber es sollte nicht sein, auch und vor allem nicht seines Bruders wegen, der nur für seinen Zwilling und den Hof zu leben scheint.

„Er wollte gerade in die Pastete beißen, als er zu zittern begann. Er sah auf seine Finger, die immer weißer wurden. Er wusste, sein Bruder war in Gefahr, und lief zum Bahnhof. (…) Der Schnee fiel in dichten wolkigen Flocken. Der Wind wurde stärker und trug Wehen über den Weg. (…) Eisige Tropfen rannen ihm über den Nacken, und er merkte, dass er seine Mütze verloren hatte. Seien Hände steckten in den Taschen, aber fühlen konnte er sie nicht. (…) Es war weiß, als er aufwachte, und er brauchte eine Zeitlang, bis er begriff, dass das Weiß kein Schnee, sondern Bettwäsche war. Lewis saß an seinem Bett, und die stechende Frühlingssonne strömte durch das Fenster. ´Wie fühlst Du Dich?` fragte er. ´Du hast mich verlassen`, sagte Benjamin.“

Der Erzählung von fiktiven Lebensgeschichten stehe ich in der Regel skeptisch gegenüber, und das eintönige Leben der Zwillinge ließ eintöniges Lesen erwarten. Doch Bruce Chatwin schildert die Landschaft und seine Menschen so eindringlich, dass sie einen noch eine ganze Weile begleiten. Das Leben auf dem Land, das Bewirtschaften der Felder, das strahlt beim Lesen eine gewisse Entspannung aus. Vom Lärm, Hunger und der Gefahr des Krieges bekämen die Bauern in den abgelegenen Orten in Wales kaum etwas mit, würden nicht nahezu alle jungen Männer eingezogen.

“´Natürlich gefällt es keinem von uns, die Burschen vom Land wegzuholen`, fügte er hinzu. ´Lebensmittelknappheit und so weiter. Aber das Gesetz ist Gesetz!` ´Es sind Zwillinge`, stammelte Amos. ´Ich weiß, dass es Zwillinge sind. Mein lieber guter Mann, wenn wir anfangen, Ausnahmen zu machen…`´Wenn man sie trennt, werden sie sterben.` ´Ich bitte Sie. Gesunde Jungen wie die beiden! Noch nie solchen Unsinn gehört…!`“

Die Zwillinge werden getrennt, die unterschiedlichen (Kriegs-)Erfahrungen prägen ihre Charaktere. Doch sie werden gemeinsam alt – und zumindest für einen von ihnen geht am Ende noch ein Traum in Erfüllung.

Ausgewählte Bücher:

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Einsame Nacht


Charlotte Link
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Atlas eines ängstlichen Mannes


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Der Herr der Ringe


John R.R. Tolkien