Totenruhe

Jan Burke

Seiten: 669
Verlag: Goldmann Verlag
Erscheinungsjahr: 2005
ISBN-Nummer: 3-442-45989-3

Das Buch hätte einen besseren, einen neugieriger machenden Titel und ein entsprechendes Titelbild verdient. Mit dem steinernen Mädchen und "Totenruhe" bleibt das Cover weit hinter dem zurück, was das Buch bietet: Eine über mehrere Jahrzehnte andauernde Kriminalgeschichte, von der drei Familien betroffen sind. Der Originaltitel "Bloodlines" ("Stammbäume") ist zwar auch nicht ansprechend, aber passender.

„Totenruhe“ ist in drei Teile, in verschiedene Jahrzehnte, gegliedert, was ich normalerweise nicht mag, muss man sich doch meist an neue Charaktere und neue Handlungsstränge gewöhnen. Ein Grund, warum ich keine Generationenromane mag – die sich dann meist doch als äußerst lesenswert entpuppen. So auch in diesem Fall.

Verbindendes Element über die Jahrzehnte ist die Redaktion der Zeitung „Las Piernas News Express“. Ich halte es zwar nach wie vor für unrealistisch, dass Journalisten polizeiliche Ermittlungsarbeit machen und dabei mit den Ermittlern Hand in Hand arbeiten. Davon abgesehen ist aber die Atmosphäre einer Redaktion in den jeweiligen Jahrzehnten perfekt eingefangen.

Der erste Teil spielt in den 1950er Jahren und erzählt die Geschichte des Journalisten Jack und seines Zöglings, dem achtjährigen Zeitungsjungen Conn.

„In der Redaktion herrschte fast immer ein hoher Lärmpegel – eine Mixtur aus dem Anschlagen von Tasten, dem Klingeln von Schreibmaschinen am Ende jeder Zeile und dem Ratschen, wenn der Wagen zurückfuhr. Die Geräusche von Blättern, die herausgezogen wurden, das Rascheln dünner Lagen Kohlepapier zwischen Blättern billigen Durchschlagpapiers. Stimmen, die nach dem Redaktionsgehilfen riefen, und das leise Tuckern der Fernschreiber. Telefone klingelte auf verlassenen Schreibtischen. Überall wurde gesprochen. Wer nicht gerade telefonierte oder schrieb, debattierte oder alberte herum.“

Anfang 1958 beginnt die Kriminalgeschichte: mehrere Ereignisse einer Nacht, die kein Zufall sein können. Ein älteres Ehepaar wird ermordet, ebenso deren Sohn und Schwiegertochter, deren Leichen aber verschwunden bleiben. Das Kind dieser beiden wird entführt – es geht nie eine Forderung nach Lösegeld ein. Und Jack, der unfreiwillig beobachtet, wie ein Auto vergraben wird, wird brutalst zusammengeschlagen.

Der zweite Teil spielt in den 1970er Jahren. Das vergrabene Auto wird bei Bauarbeiten ausgegbuddelt, darin die beiden verschwundenen Leichen. Die junge Journalistin Irene recherchiert zusammen mit Conn, der in die Fußstapfen seines Mentors Jack getreten ist und nun seinerseits Irenes Mentor wird. Doch nach wie vor bleiben viele Fragen ungeklärt.

Im dritten Teil, wir sind nun im Jahr 2000, gibt es Antworten. Irene ist nun der alte Journalistenhase. (Auf diese Weise sind es gar nicht so viele neue Charaktere, an die sich der Leser gewöhnen muss.) Sie erzählt aus der Ich-Perspektive.

„Um mich herum höre ich andere Reporter in Kopfhörer mit Mikrofon brabbeln und Computertastaturen leise klicken. Das Brummen der Leuchtstoffröhren an der Decke war das lauteste Geräusch im Raum. Es war still wie in einem dämlichen Versicherungsbüro und sah auch genauso aus.“

Der dritte Teil ist der schwächste des Buchs, wenngleich die Fäden nun zusammenlaufen. Ich war versucht, einen halben Bewertungsstern wegen des rasanten Endes abzuziehen – ein wenig atemlos werden die noch offenen Fragen beantwortet. Die Auflösung ist schlüssig, wenngleich sie in manchen Punkten – dem des „Stammbaums“ – arg gewollt und konstruiert wirkt. Aufgrund der dichten Atmosphäre der Geschichte, der sympathischen Charaktere und dem Einblick in das Reporterleben der 1950er Jahre bleibe ich aber bei den vier Sternen. Lesenswert, trotz des unpassenden Titels und des Titelbildes!

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