Schwere Knochen

David Schalko

Seiten: 573
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Erscheinungsjahr: 2018
ISBN-Nummer: 978-3-462-05096-7

Ein Buch wie ein Film. Wer  „Aufschneider“ mit Josef Hader kennt, bei dem David Schalko das Drehbuch schrieb und Regie führte, der hat eine Vorstellung davon, welcher Film beim Lesen von „Schwere Knochen“ im Kopf abläuft. Es ist eines der ganz wenigen Bücher, die ich gerne als Film sehen würde, in der Manier des „Aufschneiders“ - ich glaube, der Film wäre besser.

Wobei „Schwere Knochen“ wahrlich kein schlechtes Buch ist! Es spielt im Österreich der Kriegs- und Nachkriegszeit, im Konzentrationslager sogar, und man kommt trotz der düsteres Szenerie nicht umhin, bei einigen Szenen schmunzeln zu müssen.

Erzählt wird die Geschichte der „Erdberger Spedition“, einer Gaunerbande, was natürlich zu nett ausgedrückt ist. Der Krutzler ist die Hauptperson, der Anführer der vier: „Der ausgezehrte Wessely, der riesige Krutzler, der schlaksige Sikora und der vierschrötige Praschak. Später dann der Bleiche, der Notwehrspezialist, der Zauberer – nur der Praschak blieb der Praschak.“

“Die vier verstanden ihr Metier als Kunst. Aber anders als der Kunstmaler, der Jahre zuvor noch wenige Hundert Meter Luftlinie entfernt gewohnt hatte. Der wähnte sich auch in der Politik als Künstler, wäre aber besser Maler geblieben. Trotzdem schien das Schicksal der Erdberger Buben und des Führers auf unsägliche Weise miteinander verstrickt zu sein. Denn es war jener Großverbrecher, der aus den Kleinganoven der Vorkriegszeit die Großverbrecher der Nachkriegszeit machen sollte.“

Dieser Weg wird nachgezeichnet, von der „Gründung“ der Bande und dem Eid, den sich die Buben gegenseitig leisten, über die Zeit im Konzentrationslager, ihre gewiefte Geschäftsidee, sich den Schmuggel, das Glücksspiel und die Hurenhäuser im geteilten Wien so aufzuteilen, dass stets sie selbst die Anführer sind, bis hin zum Ende – der Gruppe ebenso wie jedes Einzelnen.

Das Buch liest sich als Satire auf das Nachkriegszeit-Wien, bitterböse bisweilen, eine Abrechnung mit jenen, die sich durchlavierten. Eine Gesellschaftskritik.

“Jemand, der aus dem Kofferraum kletterte, hatte zwar für ein paar konsternierte Blicke von Passanten gesorgt. Da man aber die Kunst des Wegsehens in Wien immer dann beherrschte, wenn das Hinsehen nach Umständen roch, wurde die ganze Irritation gleich wieder vergessen. Man ließ sich nicht gerne aus dem Rhythmus bringen und hatte sich nach dem Staatsvertrag in eine innere Neutralität begeben, die dem Ehrenkodex der Unterwelt Ich sehe nichts, ich höre nichts, ich sage nichts zum Verwechseln ähnlich war.“

Manche Methoden der Unterwelt unterscheiden sich dann aber doch: Krutzler, der Widersacher mit dem nach ihm benannten Halsstich erledigt, sich dabei stets auf Notwehr beruft – und damit durchkommt. Oder Praschak, der als Metzgerssohn für das Verschwindenlassen zuständig ist.

“Sie ließen sich Zeit, denn der Praschak hatte ihnen gesagt, dass es mindestens drei Stunden dauern würde, bin man so eine menschliche Leichte fachgerecht zerlegt hatte. (…) Am Ende hatte man beide Nazis vollständig verwertet. Sogar die Knochen wurden zermahlen und den Hühnern zum Fraß vorgeworfen. (…) Und als die Amerikaner die Geduld verloren und den Krutzler, den Wessely und den Sikora aus dem Auto zerrten, da lagen die Filets schon verkaufsfertig in der Vitrine.“

Ich habe an dieses Buch zu lange hingelesen, und ich fürchte, die Handlung hat darunter gelitten. Es kommen viele Personen vor, nach wenigen Tagen Lesepause konnte ich nur durch Zurückblättern zuordnen, wer wer war. Die Lesepausen lagen am fehlenden Spannungsbogen: Es wird eine Geschichte erzählt, eine gute Geschichte mit fantastischen Charakteren, ganz im Sinne des Wiener Schmähs. Aber eben ohne Anreize. Wen das nicht stört, der bekommt mit „Schwere Knochen“ gute Unterhaltung!

„Ob die Herren etwas essen wollten, fragte die Alte. Sie habe ein herrliches Batteriehendl erworben. Die seien ihr lieber als die Freilandhühner. Wenn die Viecher zu viel laufen, werde das Fleisch ganz zäh. Man nickte und folgte ihr in die Hütte.“

 

 

 

 

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