Diese Sätze dieser Buch-Rezension sind inspiriert vom Erzähl-Stil Nina Sedanos. Denn Frau Sedano hat nur vorgeblich ein Buch geschrieben über ihre Reisen in alle 193 von den UN anerkannten Staaten. Tatsächlich schreibt sie nämlich nicht über diese Länder. Nina Sedano schreibt über Nina Sedano. „Me“, „myself“ and „I“ sind ihre Lieblingsworte, wobei sie es tunlichst vermeidet, Informationen weiter zu geben, die für andere Reisende oder gar potentielle Nachahmer interessant sein könnten. Wie sie es beispielsweise finanziert, ihren Job zu kündigen und neun Jahre lang unterwegs zu sein, ohne jemals in einem Land zu jobben, bleibt ihr Geheimnis. Sie verrät nichts über potentielle Gefahren durch politische Auseinandersetzungen, Kriege oder gesundheitliche Risiken in einem Land. Nichts über beeindruckende Sehenswürdigkeiten und kaum etwas über die Mentalität der Menschen (wobei ausgerechnet die Griechen als geldgierig und hartherzig beschrieben und als die unfreundlichsten Menschen der Welt geschildert werden: „Wohin soll das mit dem Land noch führen?“, fragt sie.) Stattdessen erfährt der Leser, wie sie nach ihrer Jemen-Reise eine routinemäßige Haut-OP in Frankfurt übersteht, wie sehr ihre früheren Kolleginnen sie gemobbt haben und wie unzufrieden Mitreisende in ihrer Reisegruppe sind, mit denen sie – wie immer hat sie Pech – die Fahrt im Jeep sitzen muss.
In kurzen Absätzen am Ende der jeweiligen Kapitel erwähnt die „Autorin“ manchmal, was im gerade bereisten Land sehenswert sei – dabei hätte sie ein Kapitel Platz gehabt, genau das zu erzählen. Stattdessen geht es in ihren Erzählungen darum, wie sie von einem Kamerateam begleitet wird (Zusammenarbeit klappt nicht), wie „manche Zeitgenossen einen bitteren Nachgeschmack“ hinterlassen (es war nur ein Skorpion im Küchen-Waschbecken) und immer wieder davon, wie ihr bei einer Grenzkontrolle das Herz in die Hose rutscht (der Grenzbeamte findet bei der Ausreise nicht sofort den Einreisestempel im Pass). Ständig ist sie erleichtert, ein Land wieder verlassen zu können, das sie – lege ich meinen persönlichen Maßstab dessen zugrunde, was ein Reise ist – ohnehin nur selten bereist hat – in manchem verbringt sie nur einen Tag.
Verschlimmert wird das Lesen durch Sedanos gezwungenen Wort“witz“: „Zum Abendessen gab es Hähnchen mit Reis, Saubohnen und Kichererbsen, die mich auch nicht zum Lachen bringen“. Und immer wieder freut sie auch auf das „heiß ersehnte, weiche Bettchen“.
Weitere Leseprobe der geschilderten Banalitäten:
„Im Hier und Jetzt wollen Kopf und Herz im seligen Einklang mit meinem restlichen Körper liegen bleiben. Nur die Blase schießt quer, macht Stress, drückt beharrlich und drängt unnachgiebig auf Entleerung. Morgen für Morgen, mehrfach am Tag, ein Tag nach dem anderen, Woche für Woche – immer dasselbe Dilemma – ob man will oder nicht … Träge hieve ich mich hoch und schlurfe mit der bis zum Bersten geflogen Blase zum Bad. Ich gähne laut und reiße dabei meinen Mund soweit auf wie eine jagende Löwin kurz vor dem Zubeißen. Was folgt, kennt jeder…“
Die stärksten Geschichten umgeht Nina Sedano, ohne es überhaupt zu merken. Im Mittelpunkt steht ihre egozentrische Sicht auf die Welt – die sich eben nur um sie selbst dreht. Als sie in Afghanistan eine Burka anprobiert (Überschrift des Kapitels: „Das himmelblaue Gewand“ – das sagt viel aus!) ist sie „total aufgeregt“. Die politische Bedeutung und Dimension dieses „Gewands“ lässt sie weitgehend außen vor.
Die zwei stärksten Kapitel sind die beiden, in denen man etwas über das jeweilige Land erfährt: Nordkorea und Turkmenistan. Von einer Frau, die 193 Länder der Welt bereist hat, hätte ich wahrlich mehr erwartet als nur Informationen und Eindrücke aus zwei Ländern zu bekommen!
Welche erzählerischen Schwerpunkte sie aus neun Jahren Weltreise zieht offenbart Nina Sedano mit dem Titel ihres zweiten Buchs: „Happy End: Die stillen Örtchen dieser Welt.“ Kein Buch über erholsame Geheimtipps, sondern über: Klos.
Genau da hinein gehört, mit Verlaub, ihr erstes Buch.
0,5 von 5 Sternen – wegen des wirklich guten Covers, das so viel mehr verspricht, als das Buch hält.