Cross erzählt das Leben der Johanna von Ingelheim vom Tag ihrer Geburt bis zu ihrem Tod und hält sich weitgehend an reale Überlieferungen, wenn es um Personen der Kirche oder historische Ereignisse geht. Der Leser, die Leserin lernt etwas – ich mag das ja immer 🙂
Vor allem lernt man, welches „Ansehen“ Frauen im Mittelalter „genossen“. Nämlich gar keines. Das bekommt Johanna ihr ganzes Leben zu spüren, schon als junges, wissbegieriges Mädchen. Ihr eigener Vater verprügelt sie, weil sie zu viel lernen will, und lässt nur unter der Bedingung zu, dass sie unterrichtet wird, dass auch ihr Bruder gefördert wird. Durch einen Gelehrten, der ihren Intellekt und ihren klaren Verstand erkennt, bekomm sie die Gelegenheit, auf die Domschule zu gehen.
“Der Lärm legte sich allmählich, und der Mann, den der Bischof mit Odo angeredet hatte, fuhr fort: ˋAußerdem ist es sinnlos, eine Frau an der Schola aufzunehmen. Frauen sind von Natur aus nur in sehr begrenztem Maße fähig, logische Schlüsse zu ziehen.´ Er streifte Johanna mit einem abfälligem Blick; dann schaute er den Bischof wieder an. ˋIhre natürlichen Körpersäfte sind kalt und feucht und von daher für eine nennenswerte Hintätigkeit ungeeignet, zumal die brauchbaren Teile des weiblichen Hirns ohnehin winzig klein sind. Frauen sind nicht imstande, höhere Begriffe oder gar gedankliche Konzepte spiritueller und moralischer Natur zu begreifen.´“
Johanna wird aufgenommen, sie lernt eifrig und lebt in dieser Zeit auf dem Gut eines Ritters, der zunächst ihr Beschützer, später ihre grosse Liebe wird. Ein Massaker zwingt sie zur Flucht und bringt sie auf die Idee, sich in der Kleidung ihres getöteten Bruders in das Kloster von Fulda zu flüchten. Fortan lebt sie als Mann, unentdeckt bis zum Tage ihres Todes.
Was sie lernt aus den zahlreichen Büchern der Klosterbibliothek sowie vom Medicus des Klosters, verhilft ihr zu großem Ansehen auch in Rom. Ihr medizinisches Wissen rettet dem Papst das Leben, dessen Leibarzt sie fortan ist. Sie ist nun im engsten Kreis der Kirche angekommen – ohne je gezielt dorthin zu wollen. Es hat sich einfach alles so ergeben.
Es ist spannend, über das Leben in Rom zu jener Zeit zu lesen. Der Petersdom liegt damals noch außerhalb des Zentrums, ungeschützt, und wird bei einem Angriff der Sarazenen geplündert. Papst Leo, ein Mann der Tat, gibt den Bau einer Stadtmauer in Auftrag, die den Petersdom einbinden soll.
“Der Klerus, der von den Kardinälen der Stadt angeführt wurde, bat den Papst, das Vorhaben aufzugeben, und argumentierte, dass der Zusammenbruch des Mauerstücks ein eindeutiger Beweis für Gottes Missbilligung des Bauvorhabens sei. Die ganze Idee sei ohnehin verrückt, erklärten sie; ein derart hohes Bauwerk könne nie und nimmer stehenbleiben. Und selbst wenn: Man könne die Mauer niemals rechtzeitig fertigstellen, dass sie als Schutzwall gegen die Sarazenen zu dienen vermochte. Es wäre viel besser, alle Kräfte der Menschen auf frommes Beten und Fasten zu lenken, um den Zorn Gottes von Rom abzuwehren.“
Wie die Menschen eben damals so tickten… Ich habe „Die Päpstin“ gern gelesen, es ist anspruchslos, bildgewaltig und eignet sich so optimal als Urlaubslektüre oder zum Abschalten nach einem stressigen Arbeitstag.