Das Haus an der Moschee

Kader Abdolah

Seiten: 394
Verlag: List
Erscheinungsjahr: 2008
ISBN-Nummer: 978-3-548-60856-3

Für Bücher, die im islamischen Kulturkreis spielen, habe ich ein Faible - erst recht, wenn die Handlung in Afghanistan oder dem Iran spielt. „Das Haus an der Moschee“ steht in der iranischen Stadt Senedjan, drei Zugstunden entfernt von Teheran. Vorsteher und Oberhaupt sowohl des Hauses, als auch der Moschee, ist Agha Djan. Der Teppichhändler ist einer der einflussreichsten Geschäftsmänner der Stadt und hat auch auf dem Basar das Sagen. Doch belebt wird das Haus an der Moschee von vielen. Freunde, Neffen und Nichten, Schwägerinnen und Imame sowie die beiden „Großmütter“ machen das Haus zum Zentrum des Geschehens. Dabei werden die Lebenszyklen jedes einzelnen Bewohners bestimmt von den Geschehnissen im Land.

Als die Nichte Agha Djans verheiratet wird zieht der junge, ehrgeizige Imam Galgal in das Haus an der Moschee ein. Er ist anders als seine Vorgänger.

“In den vergangenen Wochen hatte Galgal jeden Freitag gepredigt, doch er hatte sich mit Bedacht zurückgehalten und harmlose Themen gewählt. Geduldig wartete er auf die passende Gelegenheit, um dem Basar seine wahre Persönlichkeit zu offenbaren; er wollte zeigen, dass er die Kanzel bei Bedarf als Geschütz einzusetzen vermochte.“

Es herrscht der Schah, der das Land modernisieren will und dabei auch zulässt, dass die USA Einfluss gewinnen. Es gärt in der Bevölkerung. Widerstand formiert sich, vor allem in religiösen Städten wie Qom, aber auch in Senedjan – und daran ist auch Galgal nicht unbeteiligt.

“Alles hatte sich verändert. Früher war der Basar das wirtschaftliche und politische Zentrum der Stadt gewesen, doch der Teppichhandel hatte ausgedient, jetzt spielte das Erdöl die führende Rolle.“

Anschläge häufen sich, die Menschen gehen auf die Straße. Ayatollah Khomeini zieht die Fäden von seinem irakischen Exil aus.

“Es war dem Schah ein Rätsel, warum die Leute demonstrieren wollten, wo sie doch zufrieden waren. Noch weniger wollte ihm einleuchten, wie es einen Aufruhr geben könne, da das Land unter der Kontrolle der Polizei und des Geheimdienstes stand.“

Die Spaltung der Gesellschaft in Anhänger und Gegner des Schahs ist auch eine Spaltung der Bewohner des Hauses an der Moschee. Nicht allen ist mehr zu trauen – dabei spielt Galgal nicht die dominante Rolle, die es zu Beginn des Buchs des Anschein hat.

Das Regime wird gestürzt, der Schah flieht, der Ayatollah kehrt zurück, nicht mehr der Geheimdienst hat die Macht, sondern die Revolutionsgarden. Pest gegen Cholera.

“Ich möchte, das sämtliche Überreste des alten Regimes beseitigt werden. Beseitige jeden, der sich der Revolution widersetzt. Ist er dein Vater, beseitige ihn! Ist er dein Bruder, beseitige ihn. Vernichte alles, was sich dem Islam in den Weg stellt!“

Das schreibe ich in einer Kritik selten: Dieses Buch ist zu kurz. Nicht, weil ich gerne noch weitergelesen hätte, sondern weil der Raum für die Charaktere fehlt. Die werden in der ersten Hälfte des Buchs ausführlich eingeführt und die Vermutung liegt nahe, dass die Ereignisse des Landes auch am Tun des neuen Imams entlang erzählt werden. Der verschwindet jedoch wieder und spielt zunächst nur noch im Hintergrund eine Rolle. Die Erzählung der Geschehnisse im Land verdrängt die Erzählung über die Schicksale der Personen, die zwar noch stattfindet, aber verstreut: mal geht es um den Bruder, der als Fotograf und Filmemacher quasi der Dokumentar des Ayatollah wird – obwohl er mit Religion nichts zu tun haben will, mal geht es um den Neffen, der sich dem Widerstand anschließt und nach Rache strebt.

Die Geschichte des Hauses an der Mosche wäre eingängiger und berührender, würde sie enger auch die Geschichte Agha Djans erzählen. Er ist zwar die zentrale Figur, letztendlich sind es aber nur Spotlights, die die Schicksale beleuchten. Das ist schade; das Buch aber ist dennoch lesenswert.

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