Bin im Garten

Meike Winnemuth

Seiten: 327
Verlag: Penguin Books
Erscheinungsjahr: 2019
ISBN-Nummer: 978-3-328-10815-3

An dieses zweite Buch von Meike Winnemuth bin ich mit etwas weniger Vorbehalten (und Angst) gegangen als bei „Das grosse Los“ - der Neid hat beim Lesen aber genauso an mir genagt. Ich muss es leider zugeben. Ich finde das einfach großartig, was diese Frau macht - in mir schreit es ständig: „Ich will auch!!“ Und bin mir sehr bewusst darüber, dass all diese Projekte, die sie zu Büchern verarbeitet, durch ihren 500.000 Euro-Gewinn bei „Wer wird Millionär“ natürlich einfacher umzusetzen (und zu wagen) sind, also ohne diese finanzielle Sicherheit.

Winnemuth hat sich einen Bungalow mit 800 qm Garten zugelegt, 300 Meter vom Ostseestrand entfernt, mit Blick auf den Leuchtturm. Mit ihrem Foxterrier Fiete wird sie Hamburg ein Jahr den Rücken kehren und hier leben.

Ich liebe dieses Buch, und ich habe es absichtlich erst zu einer Zeit gelesen, in der ich selbst wieder mit dem Gärtnern loslegen kann, auf dem Balkon und dem Acker (wenn nur das Wetter mitspielte!). Gleichwohl lässt sich gärtnern im eigenen Garten mit all dem nicht vergleichen: Es ist viel nachhaltiger, zukunftsträchtiger als etwas, das im Herbst wieder plattgemacht wird (Acker) oder überwintert wird und dabei verdurstet (Balkon). An letzterem sollte ich arbeiten.

Winnemuth gibt keine Garten-Tipps und macht das auch gleich zu Beginn des Buchs deutlich. Sie erzählt einfach, wie sich sich an das Thema – in Theorie und Praxis – herantastet. Das ist unterhaltsam und ich empfinde es viel weniger als „Me, Myself and I“, als bei ihrem ersten Buch, wo ich es eingangs gehasst habe. Den ein oder anderen Tipp zieht man am Ende doch aus dem Gelesenen (z.B.: in den Tomatentöpfen nach dem Ernten Tulpenzwiebeln setzen – wenn die geblüht haben ist es wieder Zeit für die Tomaten). Auch einige Rezepte sind enthalten, von Brennesseljauche (für die Pflanzen) bis Schlehenlikör (für den Genuss).

Winnemuth praktiziert dabei den „Essentialismus“, wie sie es nennt, um nicht Minimalismus zu sagen. Mich regt das immer wieder zum Nachdenken an.

“Vor sechs Jahren bin ich von meiner 200-qm-Altbauwohnung in ein 38-qm-Apartment umgezogen. Ich sah nicht mehr ein, für diese riesige Menge Luft um mich herum zu schuften, wenn ich sie noch nicht mal genoss. Seit dem Experiment mit dem blauen Kleid und der anschließenden Weltreise mit kleinem Gepäck trage ich ausschließlich Blau, was das morgendliche `Was ziehe ich heute an?´ zu einer Sekundenentscheidung macht: Ich muss nur aus dem Fenster schauen und greife dann entweder zu Hemd oder zu Pullover. Kein weiteres Nachdenken nötig: Alles passt zusammen und alles passt in einen schmalen Schrank.“

Ich werde demnächst ausmisten.

Winnemuth gibt ihre Erfahrungen und Erkenntnisse weiter – auch die aus ihren britischen Podcasts und Gartensendungen, die sie stetig hört und schaut, aber auch aus Gesprächen mit Experten wie einem Gartenbaugestalter.

“Mein Gartenguru Pfenningschmidt empfiehlt mir per Mail eine Klappsäge (…) und legt mir eine Wiedehopfhaue ans Herz: `Auf alle Fälle unverzichtbar. Lebensnotwendig!´ Wozu genau, frage ich, außer um Wiedehöpfe zu verhauen? `Nee nee, Frau Winnemuth, antwortet er. Erst die Aufgabe und dann das Werkzeug, das klingt sicherlich vernünftig, geht aber am Eigentlichen eines Werkzeugs vorbei. Erst das Werkzeug kaufen, dann damit unschlüssig im Garten stehen, dann überlegen, was man damit machen könnte, und dann mächtig loslegen: So funktioniert Werkzeug, so funktioniert die Entwicklung der Menschheit und so funktioniert Hornbach.´“

Winnemuth ist immer wieder auch philosophisch, es geht um das Schöne an Mittelmäßigkeit, um „Alles Kann, nichts Muss“ im Garten, um Klimawandel und was wir davon noch miterleben werden, um den Trubel der Stadt.

„Ich bin durchlässig geworden im Garten, da sind ein paar Schutzschichten abgeschält worden, die mir hier erst wieder wachsen müssen. Wird schon gehen, da habe ich überhaupt keine Zweifel. Die Frage ist nur, ob ich es überhaupt will. Welche Defensiven man in der Stadt aufbaut, um sie zu ertragen, in welche Rüstungen man sich da jeden Morgen wieder zwängen muss, das war mir vorher überhaupt nicht klar.“

Ich muss das Buch oft hinlegen, weil ich nachdenken muss. Über Sätze wie „Gärtnern ist, als ob man eine große Angel nach dem Morgen auswirft“, „Heimat ist nicht, wo man geboren wird, Heimat macht man sich“, die Aufforderung „Sag etwas Gutes über Dich.“ Und: „Einfach machen“.

Für mich sind Winnemuths Bücher immer ein Anlass zu rekapitulieren, über mein eigenes Leben nachzudenken. Ich könnte sagen: „Ich bin durchlässig geworden beim Lesen.“ Ich bin mir immer nicht so sicher, ob das gut oder schlecht ist – aber es schadet nicht. Ich finde, dieses Buch ist für jeden Gartenliebhaber eine Bereicherung, aber nicht nur für die!

Ausgewählte Bücher: