Unsere Landwirtschaft besser verstehen

Hermann Onko Aeikens

Seiten: 259
Verlag: Mitteldeutscher Verlag
Erscheinungsjahr: 2023
ISBN-Nummer: 978-3-96311-813-5

Zur Abwechslung mal ein Sachbuch, empfohlen von meinen Kolleginnen. Durch Sachbücher muss ich mich immer etwas durchkämpfen, das war auch hier so. Dafür steht am Ende durchaus ein Erkenntnisgewinn, wenngleich ich mir mehr erwartet hatte.

„Unsere Landwirtschaft besser verstehen“. Wer sollte das wollen? An wen könnte, bzw. will sich dieses Buch richten? Ganz einfach: an uns alle. Denn wer, der nicht selbst in der Landwirtschaft tätig ist oder jemanden aus diesem Bereich kennt, weiß schon, was die Bauern beschäftigt? Sie seien immer am Jammern, wird vielerorts beanstandet, dabei bekämen sie doch so viele Subventionen. Doch stimmt das so überhaupt? Wieviel verdient ein Landwirt, wieviel Arbeit ist damit verbunden – und reicht das am Ende zum Leben? Das, was uns alle mit am Leben erhält: die Nahrungsmittel, deren Rohstoffe diese Branche anbaut?

Über all das macht sich der Großteil der Gesellschaft viel zu wenig Gedanken. Und wenn Landwirte jammern oder gar demonstrieren, fragen die wenigsten, inwiefern die Beschwerden gerechtfertigt sind. Gut möglich, dass die (Demonstrations-)Mittel nicht immer den Zweck heiligen – andere Berufsgruppen mit ebenfalls berechtigten Anliegen haben keine riesigen Traktoren, um ihren Protest durch versperrte Straßen kundzutun.

„Die Ursachen der Unzufriedenheit liegen aber tiefer. Ein wesentlicher Punkt ist der Entfremdungsprozess, der seit geraumer Zeit zwischen der Landwirtschaft und der übrigen Gesellschaft eingesetzt hat. Landwirte fühlen sich nicht mehr von den Konsumenten verstanden, und sie fühlen sich vielfach auch von der Politik nicht mehr verstanden. (…) Offenbar ist die Kommunikation zwischen der Branche, den Interessenvertretern und der Politik nicht intakt.“

Dieses Buch von Hermann Onko Aeikens, der aus einer Landwirt-Familie stammt, Agrarwissenschaften studiert hat und viele Jahre in verschiedenen Landwirtschaftsministerien tätig war, beleuchtet alle Aspekte rund ums Thema: Wer sind „die Landwirte“? Wie sieht ihr Arbeitsalltag aus, wie werden sie bezahlt? Wie funktioniert das System der Subventionen, welche politischen Grundlagen gelten? Und: Welche Rolle spielen wir alle dabei, als Verbraucher?

Eine sehr große. Denn letztendlich entscheiden wir durch unseren Konsum, welche Agrarpolitik wir wollen, wieviel Tierwohl, wieviel Bio oder Regionalität. Diese Entscheidungen können wir letztendlich nur auf oberflächlichem Wissen basierend treffen. Oder wisst ihr, wie genau landwirtschaftliche Prozesse mit Artenvielfalt zusammenhängen?

“Immer größere und immer schwerere Maschinen führen zu Bodenverdichtungen. Ein voll beladener Mähdrescher wiegt mit 36 Tonnen das Achtfache des Vorgängermodells von vor sechzig Jahren. Die Bodenverdichtungen haben in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Sie sind insbesondere im Unterboden irreversibel. Lebensräume für Regenwürmer und Kleinstlebewesen werden dadurch beeinträchtigt. Die Wasseraufnahmefähigkeit der Böden nimmt ab, Niederschlagwasser bleibt auf den Feldern stehen, Wurzeln können den Boden nicht mehr durchdringen und die Humusbildung reduziert sich durch verminderte Aktivität der Kleinstlebewesen. In der Folge steigt die Gefahr, dass Boden durch Wind und Wasser abgetragen wird.“

Mir persönlich hilft es, die Zusammenhänge besser zu verstehen – nie zuvor habe ich mir darüber Gedanken gemacht. Korn und Milch war einfach immer da, wie der Strom aus der Steckdose. Dass aber nicht nur Elektrizitätswerke, sondern auch Landwirte systemrelevant sind, war mir nicht bewusst. Aber es braucht eine andere Darstellung der Landwirtschaft in der Öffentlichkeit, das fordert auch der Autor dieses Buchs.

„Kontraproduktiv ist auch die Werbung mit romantisierenden Bildern, die nicht dem heutigen Bild der Landwirtschaft entsprechen. Masthähnchen werden nun mal nicht in kleinen Fachwerkhäuschen gehalten, und die Bäuerin mit Kopftuch und Schürze verkörpert auch keine zeitgemäße Form der Werbung für Milchprodukte.“

Aeikens fordert „mehr Ehrlichkeit“, auch in der Kommunikation mit den Landwirten. Nur beifallheischende Reden zu schwingen bringe Politik und Gesellschaft nicht weiter, wenn es um die Zukunft der Landwirtschaft geht.

„Unsere Landwirtschaft besser verstehen“ wird seinem Titel gerecht. Es ist mit Sachverstand und Lösungsansätzen geschrieben, verständlich formuliert und deckt ein weites Spektrum des Themenfeldes ab. Ich hätte mir an manchen Stellen mehr Details und weniger politische Färbung gewünscht. Aber ich empfehle es explizit nicht nur als Fachlektüre!

Ausgewählte Bücher:

Card image cap

Cheng


Heinrich Steinfest
Card image cap

Höllenritt Wahlkampf


Frank Stauss
Card image cap

Der Retter


Mathijs Deen