Drei Hauptfiguren: February (ein bescheuerter Name, der mich das ganze Buch über irritierte) ist hörendes Kind tauber Eltern und leitet die River Valley School für Gehörlose. Für February ist die Schule Aufgabe und Lebensinhalt. Sie lebt in beiden Welten. Doch wegen fehlender Mittel soll die Schule geschlossen werden – eine Katastrophe für die Kinder, die dann entweder in normale Schulen in der Umgebung oder in Gehörlosenschulen weiter weg verteilt werden sollen. Dass sie auch ihr Zuhause, ein kleines Häuschen auf dem Campus verlieren wird, in dem sie mit ihrer Frau lebt, macht dies auch zu einem persönlichen Problem. Von dem sie ihrer Frau zunächst nichts erzählt, ganz in Vogel-Strauß-Taktik.
Doch noch wird eine neue Schülerin aufgenommen, Charlie. Sie ist taubes Kind hörender Eltern und war nie Teil der tauben Community. Sie hat schon als kleines Kind ein Implantat bekommen, das ihr nun zunehmend Probleme bereitet. Gebärdensprache hat sie nie gelernt.
“February saw the results of such trials every day – children whose parents had feared sign language would mark them, but who ended up marked by its absence. (…) So it was no surprise that students coming from language-poor environments often arrived with explosive tempers. (…) Charlie was far from the worst she‘d seen. She had language. She‘d just had to work too hard for it.“
An der Schule lernt Charlie Austin kennen, der aus einer seit Generationen bekannten tauben Familie stammt und von früh an gefördert wurde. Er ist quasi in der River Valley School aufgewachsen. Charlie dagegen kommt erst jetzt, als junge Heranwachsende auf das Internat und erlebt, was alles hätte anders sein können, hätte sie frühzeitig die Gelegenheit bekommen, Gebärdensprache zu lernen. Zum ersten Mal fühlt sie sich zugehörig. Für Austin allerdings bricht eineWelt zusammen, als er eine Schwester bekommt – die hören kann. Und er seinen Vater über sie sagen hört: „Sie ist perfekt.“
“True Biz“ – deutscher Titel: Klartext – führt wunderbar in diese Parallelwelt der Gehörlosen ein. Denn leider ist es das, eine Parallelwelt. Die Berührungspunkte mit Gehörlosen sind für die meisten hörenden Menschen eher rar. Leider, möchte ich nach Lektüre dieses Buches sagen. Denn – quasi gemeinsam mit Charlie – etwas über Gebärdensprache zu lernen, ist wahnsinnig interessant!
“She saw English, rigid and brittle, crack before her eyes – concepts that took up whole spoken phrases encapsulated in a single sign. Other signs were untranslatable even with multiple words: a signs that sometimes meant `I see´ and sometimes `I understand´ or `that’s interesting´, or an affirmation that you were paying attention; another that seemed to be a more empathic version of `real talk,´ and which was transliterated for her alternately as `true business´ and `true biz´.
Die gehörlose Autorin Sara Novic nimmt die Leser an die Hand. Zwischen den Kapiteln sind immer wieder kleine Lektionen eingebaut, als Wikipedia-Artikel oder eine kleine Gebärdensprachen-Kunde. Ich habe das wahnsinnig gerne gelesen. Man erfährt nicht nur etwas über Gebärdensprache an sich, sondern auch über deren Geschichte, Dialekte, Gemeinsamkeiten – und Schwierigkeiten.
“Hearing people turned aggressive so quickly, at even a momentary failure to respond, so sometimes Austin gave them the kind of answer they wanted, albeit loud and slurred. `Deaf´ was a mercifully easy word to say, and he pointed to his ear and said it now. The driver reddened, handed Austin back the five, and motioned for him and Charlie to sit.
It was hard to imagine what the world might be like if deaf people had as short a fuse about hearing people‘s inability to sign, their neglect or refusal to caption TV or, hell, the announcements on this bus.“
“True Biz“ regt zum Nachdenken an, ist unterhaltsam und lehrreich. Ein sehr empfehlenswertes Buch!


