Casey hat sich nach dem Tod ihres Mannes in ihr altes Familienhäuschen am Lake Greene zurückgezogen. Kaum jemand kommt hierher, am See selbst gibt es nur fünf Häuser. Casey ist Broadway-Darstellerin und seit einem betrunkenen Auftritt, den die Yellow Press ausgeschlachtet hat, ohne Job. Sie hat keine Aufgabe – und so trinkt sie und beschreibt die angeblich so herrliche Wirkung des Alkohols. Leider kommen die negativen Eigenschaften einer Alkoholsucht nur mäßig zum Vorschein – allein deshalb kann ich das Buch nicht empfehlen.
Ganz nett ist, dass im Haus gegenüber ein High Society-Ehepaar lebt, Katherine und Tom: sie einst Top Model, er Erfinder einer Social Media-App.
„`In the meantime, you have your new model friend to keep you company. You meet her husband?´ `Haven’t had the pleisure yet.´ (…) `Tom Royce is more like the guy who holds meetings during CrossFit sessions an never stops working. You don’t use his app, do you?´ `No.´
I avoid all forms of social media, which are basically hazardous waste sites with varying levels of toxicity. I have enough issues to deal with. I don’t need the added stress of seeing complete strangers on Twitter tell me how much they hate me. Also, I can’t trust myself to behave. I can’t begin to imagine the nonsense I’d post with six drinks in me. It’s best to stay away.“
Weil sie nichts zu tun hat fängt Casey an, ihre Nachbarn im Glashaus zu beobachten, mit dem Fernglas. Aber erst, nachdem sie Katherine eines morgens vor dem Ertrinken gerettet hat. Ihr eigener Mann ist übrigens in ebendiesem See ertrunken. Die beiden lernen sich kennen, und schon in einem frühen Stadium des Kennenlernens sagt Katherine den Satz: „(…) the truth is, that Tom needs me too much to agree to a divorce. He’d kill me before letting me leave.“ Das ist auf Seite 80 von knapp 350. Wir wissen also, wo die Story hingeht.
Die erste Hälfte des Buchs ist eine moderne Adaption von „Fenster zum Hof“. Was für jene, die Hitchcocks genialen Film kennen, todlangweilig zu lesen ist. Riley Sager selbst nimmt – in Form von Casey – irgendwann darauf Bezug:
„If my mother were still on the line, she’d tell me what I’m doing is playing pretend. Role-playing Jimmy Stewart in his wheelchair because I have nothing else going on in my sad little life. While that’s probably truer than I’d care to admit, this isn’t just playacting. It’s real. It’s happening. And I’m a part of it.“
Die zweite Hälfte des Buchs wird es dann mystisch. Das hat mit dem See zu tun, diesem dunklen, tiefen See. Der Seelen hortet, die wieder zum Leben erwachen. Tom Royce verschwindet – wie zuvor Katherine – und der Leser hat seeeehr lange den Eindruck, dass Casey ihn in seiner Gewalt hält. Dass dem nicht so ist, soll wohl ein gewitzter Coup des Autors sein, eine seiner Wendungen. Nur leider geht die völlig daneben. Schwups: da sitzt nun nicht mehr Tom, sondern jemand anders. Okay, reingefallen, haha!
Wie schon in der letzten Sager-Rezension erwähnt bin ich kein Fan von Fantasy-Geschichten. Während bei „Home Before Dark“ aber noch ein „reales“ Ende wartet, bleibt es hier im phantastischen, was nicht gleichbedeutend ist mit großartig. Mir hat dieses Buch leider keinen Spaß gemacht. Aber: Ich habe auch eine andere Stimme gehört, die es gern gelesen hat. Vielleicht ist es für jene, die gern im Mystischen weilen, ja tatsächlich annehmbare Lektüre.