Rückwärtswalzer

Vea Kaiser

Seiten: 419
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Erscheinungsjahr: 2019
ISBN-Nummer: 978-3-462-05142-1

Ich freue mich immer über Buchempfehlungen, und diese meiner lieben Freundin Vreni habe ich direkt in meinen Lesekreis mitgenommen. Denn „Rückwärtswalzer“ ist ein Buch, das Spaß macht!

Lorenz hat eine schlechte Phase. Als Schauspieler wurde er nach der ersten Folge aus der neuen Serie gekickt, seine Freundin trennt sich von ihm und über allem schwebt der Pleitegeier. Er muss seine Wohnung untervermieten und sucht Trost bei seinen drei Tanten Mirl, Hedi und Wetti. Die drei sind unzertrennlich, nur Hedis Mann, Onkel Willi, gehört auch dazu.

Der stirbt plötzlich – Stichwort: schlechte Phase – und die drei Schwestern wollen ihm seinen letzten Wunsch erfüllen: Ein Begräbnis in seinem Heimatland Montenegro. Allein, es fehlt das Geld für die Überführung – und so nehmen sie diese selbst in die Hand. Und Lorenz soll ihnen dabei helfen.

“Mirl deutete auf Willi im Rollstuhl, nachdem sie Herrn Ferdinand alles erzählt hatte, und sagte: `Und daher wäre uns so sehr geholfen, wenn wir ihn bei Ihnen kühlen dürften. Damit sein Körper den weiten Weg nach Montenegro übersteht.´ Woraufhin Herr Ferdinand säuselte: `Aber für Sie doch alles, geschätzte Frau Maria Josefa´, und schnell den Blick von Willi abwendete. Lorenz schüttelte ungläubig den Kopf, während er den Rollstuhl durch die gekachelten Gänge der Fleischerei in einen leeren Kühlraum schob.“

“Rückwärtswalzer“ ist eine Familiengeschichte und ein Road-Trip, mit wunderbar österreichischem Schmäh und hintergründiger Gesellschaftskritik. Die Kapitel über die Fahrt nach Montenegro wechseln sich ab mit Rückblenden in die Leben der Protagonisten – jeweils in anderen Jahren oder Jahrzehnten.

Der Leser erfährt, dass die Schwestern nach einem Schicksalsschlag einst eigene Wege gegangen waren. Was damals genau passierte, als Hedis Zwillingsbruder Nenerl ums Leben kam, wird erst am Ende aufgelöst. Der Leser erfährt auch, wieso Onkel Willi zurück will in sein Heimatland: Er will damit ein altes Versprechen einhalten.

Eingerahmt wird all das von regelmäßigen kulinarischen Gelagen – anders kann man es kaum nennen. Denn kochen und essen sind die großen Leidenschaften der Schwestern – Liebe geht durch den Magen.

“Lorenz und Stephi saßen eng gedrängt auf der Eckbank, Stephi und Willi unterhielten sich über Tito, während die Tanten panierten. `Kommen deine Cousinen auch?´, fragte Stephi, als Willi Mineralwasser holen ging. `Nein´, sagte Lorenz. `Wieso?´ `Wer soll das denn alles essen?´, flüsterte sie mit schreckgeweiteten Augen. Kurz darauf bekam Stephi die Antwort auf ihre Frage. Die Tanten luden Berge von Paniertem auf ihren Teller. `Nicht so viel, nicht so viel´, protestierte sie, doch die Tanten bestanden darauf, dass sie von jeder Sorte mindestens ein Stück kosten müsse. `Und so abgemagert bist auch!´, fügte Mirl hinzu, woraufhin die anderen nickten. Stephi schlug sich tapfer. Sie aß paniertes Kalb, paniertes Rind und von jedem panierten Gemüse ein Stück. Vor Reh, Hirsch, Huhn und Sur kapitulierte sie.“

Essen als Problemlösung funktioniert in dieser Geschichte des Öfteren erstaunlich gut; manch Leser könnte sich daran stören. Ich lese über so etwas hinweg und freue mich über kurzweilige, hintergründige und amüsante Unterhaltung. Ich danke der Empfehlung und gebe sie direkt an Euch weiter: Lesen!

Ausgewählte Bücher:

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Trophäe


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Männer in Kamelhaarmänteln


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