Gary Shteyngart, 1972 in St. Petersburg geboren und als Kind mit seinen Eltern nach New York City emigriert, wurde international bekannt durch „Super Sad True Love Story“, einer ebenfalls etwas langweiligen Geschichte vor einem interessanten Hintergrund – dem Blick in eine Zeit, in der Datenschutz und Privatsphäre keine Rolle mehr spielen.
Bei “Lake Success“ verhält es sich ähnlich: Die Geschichte selbst ist nur mäßig fesselnd. Dass sie sich im Zeitraum des US-Wahlkampfs und der Wahl Donald Trumps abspielt gibt ihr aber einen gewissen Reiz.
Barry Cohen, stinkreicher Investmentbanker, Ehemann und Vater eines autistischen Jungen, haut von zu Hause ab, weg von der Diagnose seines Sohnes, weg von den Ermittlungen der Aufsichtsbehörde gegen ihn und seinen Hedge-Fonds, weg von seiner Frau, die ihm fremd geworden ist. Mit dem Greyhound-Bus fährt er einmal durch‘s halbe Amerika, um seine Jugendliebe wieder zu treffen – und mit ihr ein einfaches, zufriedenes Leben zu führen. Oder das, was er sich darunter vorstellt.
“Shouldn‘t he just start all over again? Starting over was what half of the country seemed to desparetely want. There was a great boredom that coursed through Barry‘s body and, he imagined, through that of his countrymen, rich and poor, but all it took was getting on a bus and getting the hell out of town. It wasn‘t America, that needed to be made great again, it was her listless citizens.“
Dass nicht immer alles nach seinem Willen funktioniert muss Barry irgendwann auf dieser Reise einsehen – und tut es letztendlich erst daheim in New York, am Wahlabend. Mangels Alternativen.
“‘He won‘t matter ever again once they call Florida!‘ Barry yelled, and they both kissed hard. Hillary‘s victory felt like it might seal the deal not just for their country but for their relationship as well. (…) Closer to 10:00 P.M. the New York Times Needle began to swing from ‚Likely‘ Clinton to ‚Leaning‘ Clinton to ‚Tossup‘ to ‚Likely‘ Trump to ‚Very Likely Trump‘. The markets were starting to tank. (…) No, this could not be happening.“
Dass irgendwie niemand wirklich mit Trumps Wahlsieg gerechnet hat, auch nicht in den USA selbst, das kommt in diesem Buch gut rüber, ebenso wie die Stimmung einer gespaltenen Gesellschaft. Gary Shteyngart ist ein guter Beobachter und seziert die Atmosphäre auf 335 Seiten. Das ist deprimierend, aber unterhaltsam. Dass der Leser dies gemeinsam mit Barry Cohen erleben muss, das ist nur deprimierend.