Handbuch für Schnellreisende

Baedeker‘s

Seiten: 384
Verlag: DuMont Reiseverlag/ Karl Baedeker Verlag
Erscheinungsjahr: 2019
ISBN-Nummer: 978-3-7701-6686-2

Was für eine Entdeckung! Durch einen Tipp des Literatur-Kritikers Denis Scheck in dessen Sendung „druckfrisch“ aufmerksam geworden, habe ich mir diese kleine Reiselektüre zu Weihnachten gewünscht. Zunächst dachte ich, es sei eher eine Lektüre zum „Zwischendurch-mal-reinlesen“. Und dann bin hängen geblieben.

“Mit welchen kulturellen und logistischen Problemen Individualreisende von Beginn an zu kämpfen hatten und welche unverzichtbaren Ratschläge Karl Baedeker und seine Autoren ihnen mit auf den Weg gaben, dies erfährt die/der geneigte Schnellreisende von heute auf den folgenden Seiten mit den bemerkenswertesten Fundstücken aus den ersten hundert Jahren der Baedeker-Reiseführer – garantiert fernab jeglicher politischer Korrektheit und gänzlich frei von praktischem Nutzen.“

Mit diesen Worten aus dem Vorwort ist der Inhalt treffend umrissen. Der Leser wird entführt nach Ägypten, Indien, Paris, nach Italien und Russland, nach Nordamerika und Österreich-Ungarn und, und, und … In kurzen Kapiteln, die wiederum eingeteilt sind in „Unterwegs in …“, „Sehenswürdigkeiten“, „Meet the locals“, „Erleben und Genießen“ und „Praktisches“ wird man eingeführt in die Welt des Reisens von damals. Das allein ist schon oft zum Schmunzeln, die hinzugefügten Kommentare der Herausgeber machen das Ganze zu einem runden Reise- und Lese-Genuss. Denn in Gedanken ist man tatsächlich auf Reisen! Eben nur zu einer anderen Zeit als der unsrigen.

„Zum mindesten bedarf man einer wattierten Steppdecke als Unterlage, einer leichteren Decke oder eines Plaids zum Zudecken und eines Kopfkissens, alles zusammen im Wäschesack oder Plaidrolle gut unterzubringen. Wer größere Bequemlichkeit wünscht, dann aber selbstverständlich mit einem Diener reist, mag nach dem Vorbild der in Indien lebenden Europäer ein vollständiges Bett mit sich führen. (…) Viele nehmen auch ein eigenes Waschbecken mit, da die Becken im Zuge oft recht schmutzig und aus hygienischen Gründen nicht benutzbar sind (…). Damit vergrößert sich das Reisegebäck allerdings sehr erheblich.“

Nicht nur über die mitunter schwerfällige – und langwierige! – Art des Reisens erfährt man einiges im „Handbuch für Schnellreisende“, sondern auch über Land und Leute – und über die Art des „Schubladen-Denkens“ jener Zeit.

„Der empfindliche Nationalstolz der Spanier, ihre Unkenntnis fremder Verhältnisse lässt eine ruhige Auseinandersetzung nicht zu. Man beschränke sich bei derartigen Gesprächen durchweg auf die Rolle eines wohlwollenden Gastes.“

Und sollte dieses Vorgehen, zum Beispiel in Griechenland, keinen Erfolg bringen – auch da hatte Baedeker klare Handlungsanweisungen:

“Die öffentliche Sicherheit läßt kaum mehr irgendwie zu wünschen übrig. Nur in den Grenzdistrikten nahe dem türkischen Gebiet kommen gelegentlich noch Räubereien vor, am seltensten jedoch gegen Fremde. Ein Stock oder eine lange Reitpeitsche dient beim Reiten und gegen die Angriffe böser Dorf- und Hirtenhunde, deren man sich im übrigen am ehesten durch Steinwürfe erwehrt.“

Ein Lesegenuss vom Feinsten – nicht nur für Reise-Fans! Sehr zu empfehlen!

Ausgewählte Bücher:

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22 Bahnen


Caroline Wahl
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Moby-Dick


Herman Melville
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Menschenwerk


Han Kang