„Irgendwann werden wir uns alles erzählen“ war für mich eine der intensivsten Liebesgeschichten, die ich gelesen habe. Ich müsste das Buch mal wieder lesen (auch das ein Kriterium für fünf Sterne: dass ich es nochmal lesen würde). Ich wäre gespannt, ob es immer noch diese Bewertung bekäme.
“Die Liebe im Ernstfall“ hat mir eine leichte Overdose an Frauengeschichten und ihren Beziehungen verpasst. Oder war es der Film „Wunderschöner“, den ich kurz nach dem Fertiglesen dieses Buchs im Kino gesehen habe? Auch darin werden die Geschichten mehrerer Frauen erzählt. Alles schön und gut, aber eben doch too much in der Summe.
Daniela Krien erzählt die Leben und Beziehungen von Paula, Judith, Brida, Malika und Jorinde. Nicht alle bekommen gleich viel Aufmerksamkeit – manch Geschichte wird ausführlicher erzählt. Denn die fünf Frauen sind nicht Protagonistinnen eines Romans, sondern ihres jeweiligen Kapitels. Jede Frau hat ein Kapitel. Ihre Wege gehen manchmal parallel; untereinander kreuzen sie sich aber nur am Rande, die Überschneidungen werden nur beiläufig erwähnt. So sind es eigentlich fünf Kurzgeschichten, oder angerissene Romane – denn jedes Kapitel könnte man weitererzählen.
Im Kern geht es immer um Männer. Paula war lange mit Ludger zusammen, hat mit ihm zwei Töchter, von denen eine an plötzlichem Kindstod stirbt. Die Ehe zerbricht, Ludger gibt ihr die Schuld am Tod des Kindes. Am Ende wird aber Paula die einzige der fünf Frauen sein, die wieder in einer glücklichen Beziehung lebt.
Judith ist die beste Freundin von Paula – hier zumindest gibt es eine breite Überschneidung, in der auch Situationen aus der jeweils anderen Perspektive dargestellt werden. Judith lernt Männer über ein Dating-Portal kennen. Sogar den einen, bei dem es sich lohnt zu bleiben. Doch sie begeht einen Fehler – und verliert diese Liebe.
Brida bekommt in dem Buch den meisten Raum. Sie und ihr Ex-Mann kommen nicht voneinander los; die Geschichte der beiden, die füreinander bestimmt zu sein scheinen, wird ausführlichst erzählt. Eine beneidenswerte Liebe, die dennoch nicht ausreicht.
“Nun, da sie den äsenden Hirsch durch das Zielfernrohr des Jagdgewehrs sah, sein schönes Geweih, ein argloses Vorwärtstreten weiter heraus aus dem Schutz des Waldes, da dachte Brida an Götz. Gleich würde sie dieses friedliche Leben beenden. Der Hirsch stand still, sie atmete ruhig und schoss. Er fiel sofort.“
Götz ist jetzt mit Svenja zusammen, und es wäre interessant gewesen, auch Svenjas Perspektive zu lesen; zu erfahren, ob die etwas ahnt vom immer noch andauernden Verhältnis zwischen Götz und Brida.
Stattdessen kommt Malika zu Wort, Götz‘ Exfreundin. Ihre Beziehung ging wegen Brida auseinander und sie hat das nie verwunden. Sie liebt Götz immer noch – der so einen großen Teil des Buchs einnimmt.
Malikas Geschichte wird dann parallel weitererzählt im Kapitel von Jorinde, ihrer Schwester. Die hat sich gerade von ihrem Mann getrennt und erlebt einen Rosenkrieg, auch und vor allem der Kinder wegen. Hier geht es auch um Geschwisterliebe, um Familienvergangenheit und Aufarbeitung.
So ist „Die Liebe im Ernstfall“ durchaus vielschichtig, konzentriert sich aber auf die Mann-Frau-Beziehung. Gleichgeschlechtliche Liebe kommt nicht vor, und Verhältnisse etwa zwischen Freundinnen oder Vater und Tochter werden nur gestreift.
„Seit jenem Tag, an dem er die Bürgschaft abgelehnt hatte, spricht sie nicht mehr mit ihrem Vater. Mehr als zwei Jahre sind seither vergangen. Zwei Jahre lang etwas nicht zu tun dauert länger, als es zwei Jahre lang zu tun. Einstein hatte eine bessere Erklärung, doch auch sie weiß, dass Zeit keine konstante Größe ist.“
Ich habe das Buch gerne gelesen, aber bei Weitem nicht so gern wie damals den Debutroman, der mir immer noch in Erinnerung ist. Hier aber wusste ich nach zwei Kapiteln schon nicht mehr, welcher Mann nun zu wem gehörte und wer warum mit wem gebrochen hat. Zu viele Charaktere, die alle den gleichen Raum haben.