Rohinton Mistry erzählt vom Leben im indischen Kastensystem, und davon, dass sich Vorurteile und gesellschaftliche „Grenzen“ ohne weiteres überwinden lassen, wenn man sie einfach nicht beachtet. Es geht um das Innere des Menschen, den Charakter, nicht um das, was die Gesellschaft, die Konvention oder gar die Regierung aus einem macht.
Das spielt umso mehr eine Rolle, als dass Unabhängigkeit in Indien, das – welch Ironie – gerade die Unabhängigkeit erlangt hat, nur für jene möglich ist, die sie sich leisten können – und sei es nur, um sich Schutz zu kaufen.
Dina Dalal legt großen Wert darauf, von ihrem vermögenden Bruder unabhängig zu sein, nachdem ihr Mann bei einem Unfall ums Leben kam. Sie macht sich als Schneiderin selbstständig, doch als ihre Augen immer schlechter werden, ist sie darauf angewiesen, zwei Schneider anzustellen.
Ishvar und sein Neffe Om kommen vom Land in die Stadt und schlagen sich durch. Der Leser begleitet den heranwachsenden und widerspenstigen Om beim Erwachsenwerden. Die beiden sind von der Arbeit bei Dina ebenso abhängig wie diese von den beiden Schneidern. Dennoch schützt sie die Arbeit nicht vor der Willkür der Staatsmacht während des Ausnahmezustands.
Vierte Hauptperson den Buches ist Maneck, der für das Studium aus einem Bergdorf im Himalaya nach Bombay kommt. Er flüchtet aus dem Wohnheim in das ärmliche Zimmer Dinas, das sie an ihn vermietet. Im Laufe der Zeit wird aus der Zweckgemeinschaft dieser vier Personen eine ungewöhnliche Freundschaft.
„Ich verrate Ihnen mal was: Ein uninteressantes Leben gibt es nicht.“
Diesen Satz sagt einer der Protagonisten zu Maneck, der stets ein wenig hoffnungslos und verdrossen auf das Leben blickt, egal ob in der großen Stadt oder zu Hause bei seinen Eltern. Wie wahr dieser Satz ist beweist dieses Buch eindrücklich. Es ist herzlich, grausam, spannend, traurig. Unbedingt lesen!