Das Geschenk

Gaea Schoeters

Seiten: 138
Verlag: Zsolnay-Verlag
Erscheinungsjahr: 2025
ISBN-Nummer: 978-3-552-07574-0

Beinahe das zweite Fünf-Sterne-Buch in diesem Jahr - von der gleichen Autorin. Was für eine Geschichte, konsequent durchdacht. Ich habe eine neue Lieblingsautorin!

Vor dem Lesen von Gaea Schoeters erstem Roman, „Trophäe“ hatte ich ja etwas Angst. Dass die Geschichte zu grausam sein könnte. Es wurde mein erstes Fünf-Sterne-Buch heuer. Und normalerweise lese ich nicht sofort ein weiteres Buch eines Autors oder einer Autorin – oft ist es doch nur ein Abklatsch des ersten, durchschlagenden Erfolgs.

Hier ist das nicht so. „Das Geschenk“ ist eine gänzlich andere Geschichte – und ich habe mich sofort nach Erscheinen darüber hergemacht. Ich wurde nicht enttäuscht.

Elefanten in Berlin. Nicht im Zoo, auch nicht von dort entlaufen. Sondern wildlebend. Tausende! Sie sind plötzlich da.

“Mitten in der Spree badet ein Elefantenbulle. Gemächlich lässt er seinen behäbigen Körper ins Wasser sacken, geht in die Knie und verschwindet unter der Wasseroberfläche. Kurz denkt der Mann, er hätte sich das gerade eingebildet, der Alkohol muss sein Gehirn vernebelt haben, doch da taucht das Tier schon wieder auf; die großen Ohren hängen ihm wie zwei dünne, feuchte Putzleder am Kopf. Fröhlich rollt der Elefant sich im Wasser hin und her. Dann erscheint neben ihm aus dem nichts ein weiterer Rüssel, wie ein Periskop.“

Die Tiere sind ein „Geschenk“ von Botswana, das so gegen ein Gesetz demonstriert, welches den Handel mit Elfenbein erschweren soll. Deutschland soll am eigenen Leib erfahren, wie es ist, mit den Dickhäutern quasi Seit‘ an Seit‘ zu leben.

Denn das bringt einige Probleme mit sich: Die Tiere müssen ausreichend Nahrung finden. Der Straßenverkehr ist gefährdet, wenn die Tiere zu ihren Wasserstellen – also zur Spree – ziehen. Der Elefantendung muss abtransportiert werden – und der beinhaltet auch noch Samen invasiver Pflanzen, die sich hier ausbreiten, vor allem des schnell wachsenden, alles überwuchernden Kudzu.

„`Tausende Hektar Ackerland sind unbrauchbar geworden, und das nicht nur für diese Saison. Es wird Jahre dauern, bis hier wieder etwas gepflanzt werden kann. Die einzige Möglichkeit, Kudzu zu bekämpfen, ist das flächendeckende Sprühen von Herbiziden, und zwar über drei Jahre hinweg. (…) Der Schaden durch ausbleibende Ernten beläuft sich auf mehrere Milliarden.´ (…) Die Ministerin für Elefantenangelegenheiten hat für die Anschuldigungen nur ein müdes Lächeln übrig. `Bei umgehender Beweidung ist die Pflanze vollkommen harmlos. (…) Kudzu ist nicht nur ausgezeichnetes Viehfutter, sondern kann auch äußerst effizient als natürliches Mittel gegen Erosion an steilen Berghängen eingesetzt werden.´“

Gaea Schoeter stammt aus Belgien. Umso erstaunlicher finde ich, dass sie die Geschichte in Berlin verortet – mitten in die Politik der Bundesrepublik. Es geht um den Aufstieg der Rechtspopulisten, die sich natürlich die Elefanten zunutze machen. Es geht um Machterhalt, den Kampf gegen den Klimawandel, „richtige“ Politik im Umgang mit anderen, nicht-industriellen, Ländern. Schoeter trifft den richtigen Ton. Die Leser lernen eine Menge über den ökologischen Wert von Elefanten – und den ökonomischen. Wenn man denn bereit wäre, seine Politik zu ändern.

“Winkler reibt sich unbehaglich die Hände und starrt auf seine Schuhspitzen, die sich wie zwei dunkle Elefantenohren von dem hellen Parkett absetzen. Seine Mentorin seufzt. `Alles hängt davon ab, was du willst: das Richtige tun oder an der Macht bleiben. Beides zusammen wird heutzutage immer unvereinbarer, das war früher anders. Aber die Welt hat sich verändert. Deine Ära ist nicht meine Ära. Die heutige Politik steht vor anderen Herausforderungen eines anderen Kalibers. Besonders viele gute Ratschläge kann ich dir also nicht geben.´“

Der Bundeskanzler trifft eine Entscheidung. Und der Leser bleibt  am Ende ernüchtert zurück. Weil Gaea Schoeter eben kein Märchen erzählt, sondern sehr nah an der Realität bleibt, auch wenn diese fiktiv ist und auch wenn 20.000 Elefanten in Deutschland eben erstmal nach Hirngespinst klingen. Sie sind nur der Aufhänger für eine politische Parabel.

Es fällt mir wirklich schwer, diesem Buch keine fünf Sterne zu geben – und meine einzige Begründung ist: Es gibt keine Erklärung dafür, wo die Elefanten plötzlich herkommen. Darüber kann man als kleinen Unlogik-Fehler hinweggehen, mich stört es trotzdem etwas. Und auch wenn die Geschichte Wucht hat – so ganz kommt sie an „Trophäe“ eben nicht heran. Gaea Schoeter muss sich hier an ihrem eigenen Werk messen lassen. Und gewinnt. Unbedingt lesen!

Ausgewählte Bücher:

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