Da ist Ilyas, der als Kind von einem Mitglied der deutschen Kolonialmacht entführt wird und fern seiner Eltern aufwächst. Als junger Mann findet er seine Schwester wieder, Afiya, die ebenfalls nach dem Tod der Eltern bei Menschen aufwächst, die sie wie eine Sklavin behandeln. Und da ist Hamza, den sein Vater weggeben hat, auch er ist allein. Ilyas und Hamza schließen sich im Krieg der deutschen „Schutztruppe“ an, sie sehen das als Möglichkeit der Flucht aus ihren Leben, begegnen sich aber nie.
Abdulrazak Gurnah, 2021 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet, erzählt die drei Leben, die sich erst in der zweiten Hälfte des Buchs verknüpfen. Er bedient keine Klischees, und Schlimmstes, das der Leser befürchtet, tritt nicht ein. Stattdessen wird ein Schlaglicht geworfen auf die Kolonialzeit, auf das Innenleben der Kolonialtruppen aus Sicht eines afrikanischen Soldaten. Hamza wird zum persönlichen Assistenten eines deutschen Offiziers, dessen Schutz er fortan genießt – und der ihm Lesen und die deutsche Sprache beibringt.
„He glanced quickly at the officer and saw that he smiled. It was Hamza‘s first sight of the sneer he would come to know well. ´Can you read?` the ombasha translated again. ´I can read a little.` (…) ´The Oberleutnant say why you don‘t learn more to read? Why you don‘t read everything like he can? Everything he put in front of you (…)`.
Das Buch hat keinen rechten Spannungsbogen – vielleicht fiel es auch deshalb so leicht, es für einen längeren Zeitraum zur Seite zu legen. Es endet sehr abrupt. Selten habe ich ein Buch gelesen, das gefühlt „mittendrin“ endet. Und doch ist alles gesagt und alles erzählt. Es bleiben keine Fragen. Ein angenehmes Buch, mit aus europäischer Sicht ungewohntem Thema. Ich bin nicht abgeneigt, noch ein Buch des Preisträgers zu lesen.