Achtsam morden

Karsten Dusse

Seiten: 413
Verlag: Heyne
Erscheinungsjahr: 2019
ISBN-Nummer: 978-3-453-43968-9

Anwalt wird zum Mafia-Boss: Das lässt sich gut als Streaming-Serie verfilmen. Zum Lesen ist es ganz nett, aber kein Muss.

Eigentlich hat Karsten Dusse es schon auf der ersten Seite bei mir verschissen.

„Sie wollte den ausgeglichenen, aufstrebenden jungen Mann voller Ideale zurückhaben, in den sie sich vor zehn Jahren verliebt hatte. Hätte ich meiner Frau zu irgendeinem Zeitpunkt gesagt, ich hätte auch gerne ihren Körper zurück, in den ich mich vor zehn Jahren verliebt hatte, dann wäre unsere Ehe bereits an dieser Stelle beendet gewesen.“

Und mit was? Mit Recht. Ebenso, wie beinahe mein Weiterlesen an dieser Stelle – auf der ersten! Seite beendet gewesen wäre. Hätte ich nicht das Prinzip, alle Bücher zu Ende zu lesen, wenn ich sie erstmal angefangen habe.

So war aber zumindest der Tonfall – und meine Antipathie dem Autor gegenüber – schonmal gesetzt. So quälend, wie ich es erwartet hatte, wurde es dann aber doch nicht.

Björn Diemel ist Anwalt in einer hochkarätigen Kanzlei, allerdings hat er nur einen Klienten: den Clanchef Dragan. Um seine Ehe zu retten – und mehr Zeit mit seiner zweijährigen Tochter verbringen zu können – macht Diemel einen Achtsamkeits-Kurs. Die dort gelernten Mantras nimmt er sich zu Herzen. Er verinnerlicht sie – und richtet sein ganzes Handeln danach aus. Dumm nur, dass ausgerechnet Dragan in die Quere kommt, als er ein Wochenende mit seiner Tochter geplant hat. Das verbringt er auch, ganz dem Gelernten folgend, dass man immer alles im Hier und Jetzt und nur eine Sache auf einmal tun soll. Doof, dass derweil sein Mandat im Kofferraum stirbt.

“Überhaupt tat mir der Aufenthalt im Baumarkt gut. Hier drehte sich alles um die Bedürfnisse von Menschen, die mit ihren eigenen Händen etwas erschaffen wollten. Die Steine, die es hier zu kaufen gab, sollten niemandem in den Weg gelegt werden, sondern sollten irgendjemandem mal ein Zuhause sein. Wer in einen Baumarkt geht, pack an. Der lebt im Jetzt und gestaltet die Zukunft selber. Und ich gehörte jetzt auch zu diesen Leuten. Ich kaufte eine kleine Packung Modellgips, um dem im Jetzt vor sich hinverwesenden Daumen von Dragan eine Zukunft zu geben.“

Denn der Daumen gibt ihm – zusätzlich zu den Blanko-Unterschriften, die er als Anwalt von Dragan hat, und den genauen Kenntnissen des Netzwerks und der „Geschäftsabläufe“ – ganz neue Möglichkeiten. Nach und nach „übernimmt“ er die Organisation. Natürlich nicht ohne Komplikationen.

Dusse schreibt nicht sehr anspruchsvoll, das Buch liest sich flott runter. Es wurde bereits verfilmt – was angesichts der plakativen Szenen nicht verwundert. An einigen Stellen hab ich innerlich die Augen verdreht – zu absehbar sind die Folgen dessen, was man gerade liest.

„Ich legte auf und nahm den Nachplapper-Vogel in die Hand. `Auf geht‘s zu Emily!´sprach ich in sein verstecktes Mikro und er wiederholte den Satz in seiner eigenen Stimmlage. Es hörte sich völlig sinnfrei, aber lustig an. (…) `Ich habe meinen Mandanten zerhackt und bin frei.´ Leider stolperte ich in diesem Moment auf dem Weg zur Haustür und ließ den Vogel fallen, bevor er antworten konnte. (…) Durch den Sturz schien der Speicherchip Schaden genommen zu haben. (…) Ich steckte den Vogel in die Manteltasche und beschloss, Emily einen neuen zu kaufen.“

Es kommt natürlich so, wie man an dieser Stelle ahnt.

So witzig, wie mir „Achtsam morden“ in Kritiken empfohlen worden war, finde ich es nicht. Aber es tut auch nicht weh, weniger zumindest, als die erste Seite suggeriert. Die Idee, Achtsamkeits-Mantras (die im übrigen gar nicht so daneben sind), auf so eine abstruse Handlung zu übertragen, ist letztendlich ganz nett. Und so ist „Achtsam morgen“ kein Muss, aber anspruchslose Unterhaltung für zwischendurch.

Ausgewählte Bücher:

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Das Geschenk


Gaea Schoeters
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Achtsam morden


Karsten Dusse
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Morgen und Abend


Jon Fosse