Orbital

Samantha Harvey

Seiten: 136
Verlag: Penguin Random House
Erscheinungsjahr: 2023
ISBN-Nummer: 978-1-529-92293-6

Booker Prize-Gewinner sind für mich immer einen Blick wert; der einzige Buchpreis, dessen Preisträger meinen Lese-Geschmack treffen. Auch „Orbital“ ist ein besonderes Buch, wenngleich ich mich etwas durchkämpfen musste.

16 Mal am Tag kreist die Internationale Raumstation um die Erde. 16 Sonnenauf- und untergänge, alle 90 Minuten.

„The past comes, the future, the past, the future. It‘s always now, it‘s never now. It‘s 5 p.m. on their looping spacecraft. On the earth beneath them, where Toronto is just appearing, it‘s still midday. On the other side of the world it‘s already tomorrow and the other side of the world will arrive in forty minutes.“

Zu sechst sind sie in der Space Station: Piedro, Nell, Chie und Shaun im „westlichen Teil“, also dem mit den WCs für amerikanische, europäische und japanische Astronauten, sowie Anton und Roman im russischen Teil, mit den WCs für die Kosmonauten.

Natürlich spielen solche Grenzen und Konflikte hier oben keine Rolle; die Vorgaben werden missachtet. Schließlich sind sie hier aufeinander angewiesen, 250 Meilen von der Erde entfernt, im Orbit. Ein Ausblick, an den man sich nicht gewöhnt; jeder Blick aus dem Fenster auf‘s Neue beeindruckend, ungewöhnlich, süchtig-machend.

„In the new morning of today‘s fourth earth orbit the Saharan dust sweeps to the sea in hundert-mile ribbons. Hazy pale green shimmering sea, hazy tangerine land. This is Africa chiming with light. You can almost hear it, this light, from inside the craft. Gran Canaria‘s steep radial gorges pile the island up like a sandcastle hastily built, and when the Atlas Mountains announce the end of the desert, clouds appear in the shape of a shark whose tail flips at the southern coast of Spain, whose fin-tip nudges the southers Alps, whose nose will dive and moment into the Mediterranean. Albania and Montenegro are velvet soft with mountains.“

Samantha Harvey hat mit „Orbital“ eine wirklich außergewöhnliche Perspektive eingenommen. Sie muss gut recherchiert haben, ihre Schilderungen wirken authentisch und ermöglichen dem Leser, der Leserin, die Erde von oben zu betrachten.

Heißt aber auch: Weite Teile des dünnen Büchleins befassen sich mit solchen Schilderungen. So schön das ist, so zäh ist es manchmal auch. Die Geschichten der Protagonisten spielen eine eher untergeordnete Rollen, und doch werden die Schicksale, Sehnsüchte und Zweifel der Charaktere deutlich.

“For a split second Shaun thinks, what the hell am I doing here, in a tin can in a vacuum? A tinned man in a tin can. Four inches of titanium away from death. Not just death, obliberated non-existence. Why would you do this? Trying to live where you can never thrive? Trying to go where the universe doesn‘t want you when there‘s a perfectly good earth just there that does.“

Chies Mutter stirbt während ihres Aufenthalts auf der Raumstation. Anton beschließt, sich nach der Rückkehr von seiner Frau zu trennen. Roman nimmt via Funk Kontakt zu Erdbewohnern auf – und sie alle beobachten und dokumentieren den Typhoon, der sich auf die Phillipinen und Indonesien zubewegt.

Die Schönheit der Erde, die Fortschrittswut der Menschen, und wie das eine das andere bedroht, all das schwingt mit in Samanthas Harveys Erzählung. Über den ein oder anderen nicht zu Ende geführten Aspekt, und die durchwegs beschreibende Darstellung – selbst bei Dialogen –  kann man da schon hinwegschauen. Wie gesagt: ein außergewöhnliches Buch, auf deutsch unter dem Titel „Umlaufbahnen“ erschienen.

 „Love, I miss you, Shaun writes. (…) This missing. And yet, if he were offered a trip home today no way would he take it, and when the time comes to go in several months, he won‘t wish to. An intoxication; the height-sick homesick drug of space. The simultaneous not wanting to be here and always wanting to be here…“

Ausgewählte Bücher:

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Die Liebe im Ernstfall


Daniela Krien
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Altes Land


Dörte Hansen