In „Blue Skies“ wählt Boyle die Folgen des Klimawandels als Background für seine Erzählung. Die Protagonisten, Mitglieder einer Familie, leben in Kalifornien und Florida. In dem einen Staat regnet es kontinuierlich und alles säuft ab; überall riecht es feucht. Die Pflöcke des Holzhauses faulen. Im anderen Staat hat es schon früh um neun Uhr über 30 Grad Celsius und die einzige Rettung angesichts der Wasserrationierung ist der Sprung in den Pool – welch Luxus!
Die Mutter stellt die Ernährung um und bekommt die Krise, als ihre Grillen-Zucht eingeht. Der Sohn verliert nach einem Zeckenbiss einen Arm und zergeht den Rest des Buchs in unerträglichem Selbstmitleid. Der Vater macht alles klaglos mit, während die Tochter, frisch verheiratet mit einem Spirituosen-Vertreter und aus Langeweile Möchtegern-Insta-Influencerin, sich Ablenkung in der Anschaffung einer Schlange erhofft.
„Sie zog einen Fußhocker heran, damit sie vor dem Terrarium essen konnte, und hatte noch keine zwei Bissen heruntergeschluckt, als sie mit dem Anblick von Willie II. belohnt wurde, der sich langsam aus dem Beutel wand. (…) Unwillkürlich beglückwünschte sie sich zu diesem Kauf. Sie war jetzt eine Schlangenlady, so viel war klar. Andere Frauen waren Katzenladys oder Pferdeladys, und Biologinnen wie Coopers neue Freundin waren Zeckenladys. Sie nicht. Nein, sie war eine Schlangenlady. Und das war cool, voll cool. Es verlieh ihr eine ganz eigene Identität, und das würde sie von den anderen Influencerinnen unterscheiden, denn wie viele Schlangenladys gab es unter denen schon?“
Diese Entscheidung allerdings hat dramatische Folgen. Nein, das macht Boyle nicht, denkt man beim Lesen – aber natürlich macht er es, und lässt Dinge geschehen, die surreal sind und die einem die Dummheit mancher Menschen vor Augen führt – und all das eingerahmt von den Schilderungen der Natur und den Lebensumständen einer nahen Zukunft.
„Veranstaltete man überhaupt noch Abendgesellschaften? Wozu eigentlich? Die eine Hälfte der Welt stand unter Wasser, die andere war ausgedörrt, und es gab eine Missernte nach der anderen. Menschen hungerten, sogar hier in Kalifornien. Überall waren Flüchtlinge. Der Wein schmeckte nach Asche. Ottilie konnte sich nicht erinnern, wann es das letzte Mal geregnet hatte. Aber Frank ging in den Ruhestand, und sie wollte eine Party, wenn auch eine bescheidene.“
Mich hat das Buch und vor allem die Schilderungen der Klimawandelfolgen noch lange nach dem Lesen beschäftigt. Boyle nutzt seine Möglichkeiten, eindringlich und erzählerisch zu warnen, worauf wir zusteuern. Klimawandelleugner werden dieses Buch hassen – beziehungsweise gar nicht erst lesen. Allen möchte ich es ans Herz legen. „Blue Skies“ ist eine Erzählung ohne erhobenen Zeigefinger. Und für Boyle-Fans ohnehin ein Must-read!